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# Sanfte Instrumentalmusik #

* Husten *

Wir wohnten in der Zeltnergasse.

Gegenüber war
ein Konfektionsgeschäft.

In der Tür stand
immer ein Ladenmädchen.

Es war im Sommer heiß.

Wir gingen in ein Hotel
auf der kleinen Seite.

Das alles war reizend,
aufregend und abscheulich.

Als wir gegen Morgen,
es war noch immer heiß und schön,

über die Karlsbrücke nach Hause
gingen, war ich glücklich.

Aber dieses Glück bestand nur darin,

dass alles nicht noch abscheulicher,
noch schmutziger war.

Stellen Sie sich vor, Milena:

Das Mädchen hatte im Hotel
eine kleine Schmutzigkeit gesagt.

Nicht der Rede wert, aber ich
wusste im gleichen Augenblick,

dass ich das nie vergessen werde.

Und, dass dieses Abscheuliche
und Schmutzige

mich mit wahnsinniger Gewalt
ins Hotel gezogen hatte.

So wie es damals war,
blieb es immer.

Ich wollte Medizin studieren,
aber ich kann kein Blut sehen.

Unpraktisch. Für eine Ärztin schon.

Ich halte den Geruch
in den Anatomiesälen nicht aus

und kann keine Leichen sezieren.

Das wird ja immer unpraktischer.

Und mich interessieren
kranke Leute nicht.

Also, nicht ihre Krankheit.
Ich hab kein Bedürfnis, zu helfen.

Haben Sie das Studium abgebrochen?
Und meinen Vater wieder enttäuscht.

Meinen Vater zu enttäuschen,
ist meine Lebensaufgabe,

und ich erfülle sie mit Hingabe.

Wie kommen Sie mit Ihrem Papa aus?
Ich hoffe, es geht ihm gut?

Ihm geht es sehr gut.

Wie ich mit ihm auskomme?

Ich habe ihm einen Brief
geschrieben, vor 2,5 Jahren.

Ich schreibe meinem Vater
auch jede Woche. Er verlangt das.

Nein, nicht so einen Brief.

Ich habe ihm ...

... über 100 Seiten.

100 Seiten?

Ja.

Und was hat er gesagt?
Er hat ihn nicht gelesen.

100 Seiten,
und er hat ihn nicht gelesen? Nein.

Hauptsächlich aber, weil ich
ihm den Brief nicht gegeben habe.

Sie haben ...

Frank, was soll denn das?
Wollen Sie ihn lesen?

Ich? Ihnen würde ich ihn geben.

# Getragene Klaviermusik #

* Vogelgezwitscher *

# Getragene Klaviermusik #

Ich muss mich einen Moment ...
* Räuspern *

Sie sind ja viel jünger als ich,
und Sie sind gesund. * Husten *

Sie sind auch gesund,
und alt kommen Sie mir nicht vor.

Ich bin viel älter, als ich es war,
und leider auch nicht gesund.

Das bisschen Husten, Frank.

Ich finde es schön, wie Sie
mich immer Frank nennen. Ja.

Ich sehe Sie an,
und ich sehe einen Frank.

Wer Ihre Unterschrift liest,
sieht da Frank.

Ich hab mich gefragt
bei Ihren Briefen:

Warum unterschreibt er mit Frank?
Er wird es wissen.

Und warum schreibt er mir
immer wieder neue und neue Briefe?

Es war, als wäre er immer da.

Egal, wo ich hinschaue,
da sitzt Frank und spricht mit mir.

Ich wollte nicht lästig sein.

Sie waren nicht lästig.
Es war ... ohromujici.

Überwältigend? Ja, es sind
nicht irgendwelche Briefe,

sondern Briefe,
wie nur Sie sie schreiben können.

Genug ausgeruht?

# Sanfte Instrumentalmusik #

* Räuspern *

* Vogelgezwitscher *

Manchmal meine ich,
ich habe sieben Leben hinter mir.

Dabei sind sie so jung.
Und Sie so alt?

Als Papa meine Rechnungen
nicht mehr bezahlte, klaute ich.

Das lag wohl am Morphium.
Haben Sie das mal probiert? Nein.

Ich kann's empfehlen.
Sie empfehlen Morphium? Dringend!

Als die Nutzung seines Kontos
unmöglich wurde, hab ich gestohlen.

Stehlen
würde ich Ihnen auch empfehlen.

Stehlen macht Spaß!

Wo haben Sie gestohlen?
Aus vielen Geschäften.

Ich wurde erwischt,

dann vor Gericht gestellt,
dann eingesperrt.

Sie machen Scherze?
Nein. Es war nicht lang.

Es war halb so wild.
Halb so wild wie Sie.

Es ist seltsam. All die Briefe
und jetzt gehen wir hier.

Und ich kann Sie etwas fragen,
und Sie antworten mir gleich.

Wie lange waren Sie in Haft?
Keinen Monat.

Die Psychiatrie war schlimmer,
zumal ich nicht verrückt bin, oder?

Wenig Menschen
sind vernünftiger als Sie.

Na ja, aber verrückt bin ich nicht.

Und alles nur, weil Papa wollte,
dass ich den Ernst aufgebe.

Den Ernst? Ja. Ach so,
natürlich, den Ernst Pollak.

Ich sagte ihm:

"Ich gebe Ernst nicht auf.
Eher musst du mich einsperren."

Dann ließ er mich einsperren,
und entmündigen wollte er mich auch.

Der Ernst wollte sich
mit dem Papa duellieren,

aber der hat das nicht angenommen.

Warum nicht?

"Ich schlage mich nicht
mit einem Juden", sagte er.

Das war nicht nett,
aber gut für den Ernst,

weil Papa ist stark
und gut mit dem Säbel.

Und Ernst ... Sie kennen ihn ja.
Ich kenne ihn.

Ernst war verzweifelt
und hat sich vorbildlich verhalten.

Aber als Papa sich nicht mit ihm
duellieren wollte, sagte er:

"Dann bleibt nur noch eins:
Dann müssen wir jetzt heiraten."

Und dann hat Ihr Vater aufgegeben?

Ja, ich stand ja
kurz vor der Volljährigkeit.

Wenn man eine Minderjährige
entmündigt und sie wird volljährig,

bleibt sie entmündigt.

Schafft man es nicht
vor der Volljährigkeit,

steht sie mündig und erwachsen da
und man kann nichts mehr machen.

Da hat Papa gesehen, dass
die Zeit knapp wird, und gesagt:

"Dann, Kinder, heiratet halt."

Dann haben wir geheiratet
und sind hierhergezogen.

Hmm.

# Ruhige Violinen-Melodie #

Der Wienerwald ist schön.
Der Wienerwald ist schön.

Mögen Sie Wien?

Sie zuerst.

Gar nicht.

Ein absterbendes Riesendorf,
aber der Wald. Ja, der Wald.

Komm, Frank.
Wir wollen uns duzen. Ja, Milena.

Oder duzen Sie sich mit all
Ihren Übersetzerinnen? Jetzt schon.

Wenn man hier weitergeht
und sich links hält,

kommt das Lokal
mit der besten Leberknödelsuppe.

Isst du dort mit allen Autoren,
die du übersetzt? Jetzt schon. Hm.

# Sanfte Violinen-Melodie #

Ich glaub, man ist nur produktiv,
solange man jung ist,

weil man nur dann
seelische Abenteuer hat.

Sobald einem ...

Wie kann ich das sagen?

Sobald einem der Schmerz
nicht mehr endlos vorkommt,

bleibt man stehen
und lebt vom Ersparten.

So schlimm war Ihre Jugend?
So schön war sie.

Waren wir nicht per Du?
Also möchtest du wieder 16 sein?

Nein. Ich weiß nicht, durch
welches Wunder ich das überlebt hab.

(Wienerisch) Nüsse und Schafskäse
hab ich nicht.

Bekomme ich ein Wasser?
Was is schlecht an mein Bier?

Ich bezahle das Bier gern,
nur bitte ein Glas Wasser dazu.

Ich nehm auch eins.

Fertig?

Nein.

Kein Wunder, dass du so dünn bist.
Ich weiß.

Diese Magerkeit
macht mir großen Kummer.

Es sieht nicht schlecht aus, Frank.

Das muss dir nicht unangenehm sein.

Ernst und ich gehen in die
Gemeinschaftsküche für Journalisten.

6,50 Kronen für ein Mittagessen.

Was gibt es da?
Graupen, Fisolen und eine Semmel.

Am Fleischteig eine ranzige Salami,
aber gut, für sechs Kronen ...

Selbst dafür
musste ich noch putzen gehen.

Du gehst doch
nicht wirklich putzen?

Man muss halt essen.
Aber konnte dein Vater nicht ...

Ich würde lieber verhungern.

Warum kaust du denn so?

Man nennt das Fletchern.

Es ist die gesündeste Art,
Nahrung aufzunehmen.

Man muss jeden Bissen 40-mal kauen.

Schöns Wetter hamer, was?

Mhm.

So is das bei uns
in der Wienerstadt.

Guter Wein, Fleisch, schön's Wetter.
Do geht's uns guat, ha?

Woher sein's denn?

Er lebt in Prag.

Er ist Kurzbesuch hier, falls er
nicht länger bleiben sollte.

Ich muss Montag ins Büro.

Prag war i nur eimol.

Hat mer net so gefallen -
zu viele Juden.

Sie kämen gut
mit meinem Vater klar.

Die san dort überall.

In Wien ist's auch arg,

aber wir hatten wenigstens
den Lueger und den Schönerer.

In Prag san die Juden ganz frech.

Ja, manchmal möchte ich auch
alle in den Wäscheschrank stopfen,

warten, die Schublade herausziehen,
schauen, ob alle erstickt sind.

Wenn nicht,
die Lade wieder zuschieben

und es so fortsetzen,
bis sie erstickt sind.

Mich eingeschlossen.

Des ham S' schön gesagt,
mit der Schublade.

Darf ich Sie um etwas bitten?
Ja, klar.

Lassen Sie uns
keine Freunde werden.

Noch besser:
Seien wir auch keine Bekannten.

Am besten
sprechen wir nicht miteinander.

Ließe sich das einrichten,
guter Herr?

Was is des für a Frechheit?

Diese Depperten!
Überall seien die jetzt scho da!

Tschechische Gesindel!
Überall seien's scho!

Das Bier solltest du trinken.
Das gibt Kraft.

Das sagt mein Arzt auch,
der Mühlstein.

Dein Arzt heißt Mühlstein?
Ja. Stell dir vor.

Glaubt's, ihr seid was Bessers?

Behmern, Tschoschen,
das ganze Drecksg'sindel ...

Er hängt mir am Hals, sagt,

ich soll Bier trinken,
dann werd ich gesund.

Vielleicht hat er recht.

Des is unser Land!

Was soll aus unserem Land werden?

Jetzt habt ihr eure eigenen Länder,
schleicht's euch heim!

Ist der Mühlstein ein guter Arzt?
Nein. Aber er könnte recht haben.

Schlechte Ärzte haben mal recht
und gute oft unrecht.

Schleicht's euch!
Schaut's, dass weider kommt's.

Die beste Ärztin
und die beste Freundin

war meine Hausgehilfin,
die Frau Kohler.

Wasser.

Woran haben ...
hast du gelitten, Milena?

Ich hatte den Einfall,
mich zu vergiften. Milena!

Ach komm, Frank.
Das hat doch jeder irgendwann.

Ich war eine Woche bewusstlos.
Eine Woche?

Vielleicht auch nur ein paar Tage.

Ich weiß es nicht.
Ich war ja bewusstlos.

Von der Traurigkeit.

Ich hatte
noch kein Gift genommen.

Ich wollte nur.

Aber jeden Mittag
schüttelte mich Frau Kohler

und holte mich ins Leben zurück.

Ich sah nur
dieses runde, verheulte Gesicht

und die Hände,
die nach Petroleum rochen.

Die stopften mir Knödel
in den Mund.

Das ist ja schrecklich! Ja.

Aber dank der Knödel
wurde ich stark genug,

die Traurigkeit auszukotzen.

Warum warst du denn so traurig?

Das war wegen dem Ernst.
Er dachte, er braucht andere Frauen.

Hat er diese Dummheit aufgegeben?
Nein.

Aber ich weiß, dass ich deswegen
kein Gift nehmen werde.

Aber nicht aus Todesangst, sondern
aus Angst vor Frau Kohlers Knödeln.

Komm, wir gehen.

Nicht, ohne zu zahlen.
Der Wirt ist nicht da.

Aber wir müssen noch zahlen.

Bist du reich, Frank? Ich nicht.

Wir können nicht ...
Das wäre ja ... Diebstahl?

Du würdest wirklich ...

Ich hab doch in Prag
viel gestohlen.

Letztes Jahr, als Ernst
und ich kein Geld hatten,

arbeitete ich bei
zwei schlechten Schauspielern.

Denen hab ich Geld geklaut
und sie haben mich verhaften lassen.

Aber ich war erst 23. Bewährung?

Nein, im Gefängnis war ich schon,

aber es war besser geheizt
als in der Wohnung.

Ich versteh nicht,
was das sein soll: Eigentum.

Geld verschenke ich.
Wenn ich keins habe, stehle ich.

Der Kommunismus ist Realität.

Alles gehört mir,
und was mir gehört, gehört allen.

Komm, wir gehen.

# Schwungvolle Musik #

* Husten * Komm, Frank!

* Husten *

Es geht schon wieder.

In 50 Metern kommt eine Wiese.
Da ruhen wir uns aus.

Das ist lieb, dass du "wir" sagst.

* Husten *

Wenn man durch Glück umkommen kann,
muss es mir geschehen.

Kann ein zum Sterben Bestimmter
durch Glück leben, werde ich leben.

Beim Übersetzen deiner Geschichte
fragte ich mich,

wer dieser Mann ist,
der so etwas Unerhörtes schreibt.

Als dann noch deine Briefe kamen,

und der Ernst
schätzt dich auch so ... Hmm?

Sei nicht eifersüchtig.
Wir sind schon so lang zusammen.

Ich kann nicht eifersüchtig sein.

Entweder ist die Welt winzig
oder wir riesig.

Aber du und ich, wir füllen sie.
Schau dich um.

Dass der Mann mich schätzt,

ist wie die Liebe des Reichen
zur Armut.

Würdest du nach Wien kommen?
Ich bin in Wien. In Wien leben.

Würdest du zurück nach Prag gehen?
Warum nicht?

Man bräuchte eine Wohnung,
zwei Schreibtische, einen Schrank.

Um den würden wir streiten.
Ich würde sagen:

"Ein so großer Schrank
ist unanständig."

Du würdest sagen:
"Der muss es aber sein."

Und dann würde ich sagen:
"Wähle zwischen ihm und mir."

Und dann sagst du: "Gleich ...

Frank ... Schrank.

Das reimt sich.
Also wähle ich den Schrank."

"Gut", würde ich sagen, und
die Treppe hinuntergehen. Welche?

Es gibt immer eine Treppe.

Die gehe ich dann also hinunter,
um mich zu ertränken.

Wenn ich den Donaukanal nicht
gefunden habe, lebe ich noch heute.

* Lachen *

Dass man
eine so große Stadt gebaut hat,

wo du doch nur ein Zimmer brauchst.

Jetzt komm.
Ich will etwas von dir hören.

"Karl sah an einer Straßenecke ein
Plakat mit folgender Aufschrift:

'Auf dem Rennplatz wird heute
von 6 Uhr bis Mitternacht

Personal für das Theater
in Oklahoma aufgenommen.

Das große Theater von Oklahoma
ruft euch.

Es ruft nur heute, einmal.

Wer die Chance versäumt,
versäumt sie für immer.

Wer an seine Zukunft denkt,
gehört zu uns. Jeder ist willkommen.

Wer Künstler werden will,
melde sich.

Das Theater kann jeden brauchen,
jeden an seinem Ort.'

Es standen viele Leute vorm Plakat,

aber es schien
nicht viel Beifall zu geben.

Es gab so viele Plakate.
Plakaten glaubte niemand mehr."

Mm.

Weiter.

Er geht zum Zirkus.

Aber was wird dann?
Ich weiß es noch nicht.

Er ist willkommen.
Das ist alles. Das genügt.

Hm.

Jetzt du.

Aber ... das ist nichts.

Nur eine Spielerei. Ein Feuilleton.

Kein Vergleich zu ...

# Entspannte Instrumentalmusik #

Geht das? Ja.

(spricht Tschechisch)

"Mir scheint,
dass in dem Augenblick,

wo zwei Menschen heiraten,
um glücklich zu sein:

Dass sie sich dann die Möglichkeit
zum Glück verschlossen haben."

Ich verstehe Tschechisch.

Wie schön.

* Glucksen *

"Zwei Menschen heiraten, um ..."

... spolecne? Zusammenzuleben.
Ah!

"Aber warum braucht es
zu diesem Geschenk noch Glück?

Warum können sich die Menschen
nie mit einer echten ...

... unbeschönigten?"

Neprikraslenou?

Ja.

Ungeschmückten.

Danke.

"Mit einer echten,
ungeschmückten Größe zufriedengeben

und wählen lieber eine Lüge?

Warum versprechen sie
einander etwas,

was sie nicht erfüllen können?"

(Sie liest einen Satz
auf Tschechisch vor)

To je pravda.

"Man erkennt ihn in
der ersten halben Stunde erstmals

und zum zweiten Mal nach
zehn Jahren gemeinsamen Lebens."

Was ist? Lies doch weiter.

Ach, komm. Bitte!

* Vogelgezwitscher *

"Ich denke außerdem,
dass es so gut wie unmöglich ist:

Dass zwei Leute
vor der Hochzeit ahnen könnten,

wer sie selbst sind
und wen sie heiraten.

Das größte Versprechen,
das eine Frau und ein Mann

sich geben können, ist der Satz,
den man zu einem Kind sagt:

'Dich geb ich nicht her.'"

Dich geb ich nicht her.

"Nicht: 'Ich werde dich lieben,
bis dass der Tod uns scheidet.'

Oder: 'Ich werde dir
treu sein bis in den Tod.'

'Ich gebe dich nicht her.'
Da ist alles drin.

Da ist ..."

# Sanfte Instrumentalmusik #

To je velmi dobre.
Lies doch weiter.

Nein, das ist es nicht.
Das ist alles ... Unsinn.

Feuilleton-Gerede.

Im Feuilleton kann man irgendetwas
behaupten oder das Gegenteil.

Aber wenn das so ist:
"Ich geb dich nicht her."

Wenn du ihn nicht hergibst
und er nicht dich,

was wird dann aus unserem Schrank?

Ich weiß es doch auch nicht.

Ich hab wirklich viel erlebt.

Ich war auch mal schwanger,
weißt du?

Nicht von Ernst.

Ich musste das Kind ...

# Ruhige Instrumentalmusik #

Ich hab fast alles gesehen,
aber das hier ist mir auch neu.

Das hier?

Ich habe nie so einen Menschen
wie dich getroffen und vermute,

es liegt daran, dass es noch nie
jemanden wie dich gegeben hat.

Wollen wir weiter?

# Ruhige Instrumentalmusik #

* Wasserplätschern *

* Vogelrufe *

# Angespannte Musik #

Schönen guten Tag.
- Schönen guten Tag.

Wohin des Wegs?
- Wenn wir fragen dürfen?

Spazieren.

Herrliches Wetter.

Könnte nicht besser sein, das Wetter.

Man fragt sich, ob es Sinn hat,
seine Berechtigung,

ob es erlaubt ist,
dass das Wetter derart schön ist?

Obwohl das Leben so schwer ist

und die Aussichten
auf Glück derart gering.

Es täuscht einen, dieses Wetter.

Was möchten Sie, bitte? Nichts.

Wirklich.

Nichts. - Wenn wir etwas wollten,
könnte man mit uns verhandeln.

Aber da wir nichts wollen, erreicht
uns kein Bitten und kein Angebot.

Wer sind Sie?

Die Gegenkräfte.

Die Hindernisse.

Zwei Spaziergänger.

Noch einen schönen Tag.

# Verstörende Synthesizer-Musik #

Hast du das gehört?

Was?

* Husten *

Frank?

Frank! Geht's?

* Räuspern *

Es geht.

Komm, ich halt dich.

* Plätschern *

# Harmonische Instrumentalmusik #

Nein?

Doch.

Aber?

Mit dem Mädchen
aus dem Hotel-Geschäft

und mit den Frauen aus dem Sua,
aber nicht mit Milena?

Du weißt von dem Mädchen?

Aus deinem Brief, Frank.

Oder soll ich so tun, als hättest du
es nicht geschrieben?

Ja. Genau das ist es.

Die halbe Stunde im Bett
oder im Gras. Das ganze Schmutzige.

Es ist nicht schmutzig, Frank.

Schau.

Nichts daran ist schmutzig.

Man darf das mit jemandem tun,
den man mag.

Dann ist es sogar schöner.

* Vogelgezwitscher *

# Sanfte Instrumentalmusik #

Mit jemandem, den man liebt.

Ja.

# Sanfte Instrumentalmusik #

Wie das Meer einen Kieselstein
an seinem Grund überschwemmt,

so überschwemmt dich
mein Liebhaber.

* Lachen * Was dir so einfällt!

Es wäre so viel leichter, wenn ...

Du mich verachten würdest?
Wenn du mir egal wärst.

Weil ich die Angst
dann nicht hätte.

Angst wovor?

Wir sind doch schon eins.

Jetzt?

Spürst du es nicht?

Doch.

Ich glaub schon.

Ist sie weg? Die Angst?

Fast.

Aber morgen ist sie wieder da.
Ich besteh doch aus ihr.

Sie hat doch recht.
Die Angst ist das Beste an mir.

Du bist lustig, Frank.

Wir haben keine Eile.
Wir haben Zeit. Wir haben Jahre.

* Krähenrufe *

# Bedrohliche Musik #

* Krähenrufe *

# Bedrohliche Musik #

Wir könnten in Prag sein
oder in Berlin.

Was Musil dir angeboten hat,
kann ja noch werden.

Tagsüber schreiben wir
in getrennten Zimmern

und abends essen wir zusammen.
Aber ...

Aber dann ist es Nacht.
Jetzt hör schon auf.

Was man am Tag hat, soll man noch
einmal nachts in Besitz nehmen.

So wird es verlangt.
Nichts wird verlangt!

Es geschieht oder eben nicht.
Das wäre auch nicht schlimm.

Wir haben doch alles.

Eben auf der Lichtung,
wir hatten alles.

Ja, alles.

Ja.

Und dein Mann?

Der Ernst wird das verstehen.

Nach allem, was ...
Nach allem, was passiert ist.

Vielleicht ist er erleichtert.
Mich würde es nicht wundern.

Wenn der Ernst zurückkommt,
spreche ich mit ihm.

Ich hab nur eine Bitte.

Kannst du dann da sein, in Wien?

Wenn ich mit ihm gesprochen habe.
Ich kann da nicht alleine sein.

Ich brauch dich.

Natürlich.

# Harmonische Instrumentalmusik #

Also, du wirst in Wien sein,
im Hotel?

Ich spreche mit Ernst
und komme dann zu dir. Ich bin da.

Nächste Woche?

Nächste Woche geht nicht.

Da hab ich eine Dienstreise
nach Mährisch Ostrau.

Sag, du bist krank.
Ich kann im Amt nicht lügen.

Dann halt nach der Dienstreise.

Dann geht es nur am Wochenende.
Dann eben am Wochenende.

Aber warte,
es ist ja nicht so einfach.

Ich muss Montag wieder im Büro sein

und kann nicht
vor Samstagnachmittag losfahren.

Dann bist du Montag eben
nicht im Büro.

Meld dich krank.

Und wenn mich jemand im Zug sieht
oder in Wien?

Dann sag, dass du
deine kranke Tante besuchst.

Jeder hat eine kranke Tante.
Ja, aber meine ist schon tot.

Du verstehst nicht, was ich mein?
Doch.

Selbst wenn man mir die Tante
glauben würde,

wenn ich das dem Direktor
sagen könnte, ohne zu lachen:

Oscar wäre ja bei ihr.

Meine Tante bräuchte mich gar nicht.

Wer ist Oscar?

Eben! Wer ist Oscar?

Die Tante ist die Tante,
aber Oscar ...

Immerhin, er ist bei ihr.

Hoffentlich wird er nicht
auch krank, der Erbschleicher.

Schau.

Ich kann nicht lügen.
Ich kann es einfach nicht.

Du kannst ... niemals?

Das Büro ist nicht
irgendeine beliebige dumme Sache.

Also, das ist es schon. Na ja,
es ist mehr fantastisch als dumm.

Aber es ist mein Leben, und
ich könnte mich davon losreißen.

Das würde ich auch für dich.

Aber bis jetzt ist es mein Leben,

und ich kann nicht
lumpig damit umgehen.

Ich arbeite weniger als alle,
aber alle sind nett zu mir.

Ich kann nicht einfach so lügen.
Einfach so?

Das Büro ist wie
ein lebendiger Mensch für mich.

Er ist mir fremd,
aber wir sind verbunden.

Ich kann ihn nicht anlügen.

Kommst du eben nicht.
Dann muss es so gehen.

Milena!

Eine Möglichkeit gibt es ja.

Ich fahre Samstagnachmittag
mit dem Schnellzug,

komme um 2 Uhr nachts nach Wien.

Du hast die Sonntag-Schnellzug-Karte
nach Prag Freitag gekauft,

mir telegrafiert, dass du sie hast.

Ganz wichtig: Ohne dieses Telegramm
kann ich nicht von Prag wegfahren.

Wenn du mich am Bahnhof erwartest,
haben wir vier gemeinsame Stunden.

7 Uhr, Sonntagfrüh,
fahre ich wieder weg.

Oder, oder ... Warte, warte!
Noch besser:

Du kommst mir nach Gmünd entgegen.
Gmünd? Gmünd.

# Verspielte Instrumentalmusik #

Da kann ich um 7.28 Uhr
am Samstagabend eintreffen.

Sonntag müsste ich erst ... Moment.

Richtig.
... erst um 10.46 Uhr losfahren.

Wir haben also ... über 15 Stunden.

Noch besser. Noch besser.

Nachmittag um 16.38 Uhr
fährt noch ein Zug nach Prag.

Mit dem käme ich rechtzeitig vor
Montag früh an, das wären dann ...

21 Stunden, Milena.

Großartig, Frank.

Der Haken: Der Gmünder Bahnhof
ist tschechisch,

die Stadt österreichisch.

Du brauchst vielleicht einen Pass.
Du müsstest dich erkundigen.

Das mach ich, Frank.

* Vogelgezwitscher *

Der Ernst ist auf mich angewiesen.

Er kann nicht mal
alleine die Stiefel putzen.

Kochen kann er nicht, und mit dem
Kohleofen kommt er nicht zurecht.

Er kann nur schreiben,
was er aber nie tut.

Auf die richtige Art
muss ich es ihm sagen.

Du wirst sagen:

"Es gibt keine richtige Art
im Leben, nur falsche."

Aber ich sag ja gar nichts,
außer das hier:

Rede nicht von seinen Stiefeln
und nicht davon,

dass er ohne dich nicht auskommt.

Wenn du fortgehst, würde er
mit einer anderen Frau leben

oder in eine Pension ziehen.

Und dann werden seine Stiefel
besser geputzt sein als jetzt.

Ich kämpfe ja nicht
gegen deinen Mann. Nein?

Der Kampf
findet in dir selbst statt.

Es kann nicht anders sein.

Denn würde ich gegen
deinen Mann kämpfen, ich ...

Ich hätte doch sofort verloren.

Seine Untreue? Was ist das schon,
solange ihr auf eurem Weg bleibt?

Er geht eben weiter links und
du gehst neben ihm her und sagst:

"Ich geb dich nicht her."

Suchst du nach Gründen,
dass ich bei ihm bleiben soll?

Ich beschreibe nur,
wie die Dinge liegen.

Die Dinge liegen so,
wie wir wollen.

Nur, weil es schwer wird,
ihm beizubringen, dass es hart wird,

weil er mich braucht
und wir lange ...

Es ist eine Ehe, und die ist
unauflöslich, geradezu sakramental.

Sakramental?

Wir alle
sind in Sakramente verstrickt,

so wie ich auch unauflöslich
verbunden bin mit ...

Ich weiß gar nicht, mit was,
aber ...

Aber?

Der Blick dieser Ehefrau
liegt oft auf mir, das spür ich.

Auch sie sagt:
"Ich geb dich nicht her."

Nichts ist unlöslich!

Ehen werden dauernd gelöst.
Das ist normal!

Und wenn du nicht mit mir
zusammen sein willst, sag:

"Milena, ich will es doch nicht."

Aber ich will es ja.

Aber?

Manchmal ist mir,
als hätte ich Bleigewichte,

die mich in die Tiefe ziehen.

Und jede,
die mich fassen, retten möchte,

lässt es wieder bleiben.

Nicht aus Schwäche
oder Hoffnungslosigkeit,

sondern einfach aus Ärger.

Du sprichst und sprichst,

und alles, was aus dir rauskommt,
ist Literatur.

Schön wär's.

Meistens, wenn ich schreibe,
kommt gar nichts heraus

und meistens nur Schlechtes.

Mach dich nicht klein!
Franz Kafka, der Selbstverkleinerer.

Wenn, dann schon "Zerkleinerer".
Sehr witzig!

Ich bin ja gar nicht klein,
aber mager.

Und schwach.

Ja. Mager, klein und schwach
und dazu so unbedeutend.

Niemand würde dich
für jemand anderen verlassen!

Und alle helfen dir.
Max, deine Schwestern, ich.

Bestimmt auch deine Verlobte
von damals, auch deine Vorgesetzten.

Alle fragen wir uns ständig, wie
man dem armen Franz helfen kann,

weil wir dir deine Erfindung
vom armen Schwächling glauben.

In einen Käfer
verwandelst du dich,

damit man dich in Ruhe lässt.

Du machst nicht
den geringsten Kompromiss,

während wir alle
ins Leben verstrickt sind.

Und Franz Kafka
macht auch da keine Kompromisse.

Er schreibt nichts fertig,
trägt es nicht zum Verlag,

sondern legt es weg.

Weil Kompromisse sind für andere,
nicht für den großen Franz Kafka,

der klein ist und schwach.

Er lebt fürs Schreiben,
aber Fertigschreiben

wäre unter seiner Würde
und unter seinem Anspruch.

Nur einer Macht beugt er sich.
Welche ist diese Macht?

Welche?
Der beschissene Zugfahrplan!

# Rasante Instrumentalmusik #

* Stimmengewirr *

Hallo, was fällt Ihnen ein?

# Rasante Instrumentalmusik
klingt aus #

# Ruhige,
träumerische Instrumentalmusik #

Gehen wir.

Es wird auch kalt.

# Ruhige,
träumerische Instrumentalmusik #

Ich lese ein chinesisches Buch,
"Buacka kniha", Gespensterbuch.

Schöner Titel.

Da sagt einer auf dem Sterbebett

in der Unabhängigkeit
durch die Nähe des Todes:

"Ich habe mein Leben versucht,

mich gegen die Lust zu wehren,
es zu beenden."

Er bräuchte Frau Kohlers Knödel.

Dann lacht ein Schüler
seinen Lehrer aus,

der nur vom Tod spricht.

Nur vom Tod?

An wen erinnert mich das?

"Immer sprichst du vom Tod
und stirbst nicht."

Der Lehrer antwortet:

"Und doch werde ich sterben.
Ich singe meinen Schlussgesang".

Der eine singt kürzer,
der andere länger.

Ich bin nicht sicher,
ob ich Sie verstehe, Franz.

Es ist richtig,
über den Helden zu lächeln,

der sterbend auf der Opernbühne
eine Arie singt.

Die Oper ist lächerlich, aber es
ist unrecht, über ihn zu lächeln.

Denn verhält es sich nicht so?

Wir liegen und bluten
und singen jahrelang.

# Leise ausklingende
Cello-Melodie #

Schurl, rück an die Seite,
mach Platz,

damit die Frau Gemahlin
sich hinsetzen kann.

Danke. Es ist allerdings
nicht meine Frau.

Bitte um Verzeihung.

Ich bin nur seine Übersetzerin.
Über...

Der gnädige Herr versteht uns doch.
Die Frage ist, ob wir ihn verstehen.

Gehen Sie noch ins Kaffeehaus?

Nein.
Keiner weiß, dass ich hier bin.

Obwohl, jetzt ist ja noch Zeit.
Ich könnte ins Griensteidl schauen.

Werfel ist wahrscheinlich dort.

* Husten *

Was machen Sie heute noch?

Noch den Artikel für die Tribuna
fertig schreiben. Den über die Ehe?

Ich glaube, ich nenne ihn
"Der Teufel am Herd".

Das ist ein guter Titel.
Wie wollen Sie den Artikel beenden?

Auf der Suche nach etwas Besserem
verliert man mehr, als man gewinnt.

Das, was kommt, ist immer schlechter
als das, was war.

Das ist ein trauriges Ende. Ja.

* Bahn-Glocke *

# Ruhige Flöten-Melodie #

* Bahn-Glocke *

# Ruhige Flöten-Melodie #

Untertitel:
Norddeutscher Rundfunk