All language subtitles for Le Tibet face à la Chine, le dernier souffle . - Regarder le documentaire complet

*Geheimnisvolle Musik*

(Tenzin): Meine Großmutter
hat uns immer von Tibet erzählt.

Von schneebedeckten Bergen,

von Yaks, Äpfeln,
Aprikosen und Pfirsichen.

Und sie hat Lieder gesungen
über die Arbeit, unsere Kultur.

So habe ich Tibet kennengelernt.

Tibet war ein Märchenland,

fast wie eine Geschichte.

Aber wir glaubten fest
an das Land irgendwo in der Ferne

und dass wir eines Tages
dort hingehen würden.

So wurden wir Tibeter,

obwohl wir in Indien geboren
und aufgewachsen sind.

Für die älteren Tibeter wie
meine Mutter, meine Großmutter,

die aus Tibet geflohen sind,
ist es eine Erinnerung.

Aber für jüngere Generationen
ist Tibet eine Hoffnung,

es ist unsere Zukunft.

(Off): Doch das Land ihrer
Hoffnung existiert nicht mehr.

Mit dem chinesischen
Einmarsch 1950

wurde es
aus den Landkarten radiert.

Ohne den Dalai Lama
und die tibetische Diaspora,

die die Erinnerung an ihre
gestohlene Heimat wachhalten,

wäre Tibet längst vergessen.

(Vijay): In Indien leben
höchstens 80.000 Tibeter,

aber die Präsenz des Dalai Lama
ist wichtig für Indien.

Er ist das Symbol
des freien Tibet.

(Off): Mit der Einnahme
der tibetischen Hochebene

im Norden des Himalaya

hat China eine Kultur

und die geografische
Lage Tibets annektiert.

Es hat sich strategischer
Ressourcen bemächtigt

und die größten Süßwasserreserven
des Kontinents

unter seine Kontrolle gebracht,

und es hat sich

an der 3.500 Kilometer langen
Grenze zu Indien positioniert.

(Sushant): Es ist der
weltgrößte Territorialkonflikt.

Er betrifft fast
120.000 Quadratkilometer Fläche.

Das Eskalationsrisiko
ist seit drei Jahren sehr hoch.

(Ajai): Es handelt sich
um Atommächte,

die beiden größten
Mächte Asiens.

Die Lage muss
aktiv beruhigt werden.

(Off): Der Konflikt
zwischen den asiatischen Riesen

beginnt vor über 70 Jahren
mit der Annexion Tibets.

Damals wird der Himalaya

zum Schauplatz
eines schwelenden Kriegs

und zu der am stärksten
militarisierten Region weltweit.

(Shivshankar): Zum ersten Mal
in der Geschichte Indiens

standen wir
vor chinesischen Truppen.

Bis dato hatten wir
eine Grenze mit Tibet,

plötzlich eine mit China.

(Off): Mit der Annexion will China
aber auch die Tibeter unterwerfen.

Sechs Millionen Menschen

samt ihrem charismatischen Führer,
dem 14. Dalai Lama.

Im Exil hat er es
zu seiner Lebensaufgabe gemacht,

auf der ganzen Welt die Erinnerung
an Tibet lebendig zu halten.

Heute ist er 88 Jahre alt,

und die Frage seiner Nachfolge

belastet
die tibetische Gemeinschaft.

(Dalai Lama): Spirituelle Freunde,
ich bitte euch,

meine Gedanken zu unterstützen.

Was ihr bis jetzt getan habt,
war richtig.

Es war das Richtige.

(Off): Der Dalai Lama ist
nicht nur eine Person,

er ist ein Symbol.

"Hoch lebe der Dalai Lama!
Hoch lebe der Dalai Lama!"

Als Ikone
des tibetischen Buddhismus

verkörpert er Hoffnung und Leid
eines vertriebenen Volkes.

Er ist ein Bodhisattva,

die erleuchtete Verkörperung
des ultimativen Mitgefühls.

Schon als Kind

wurde er als Reinkarnation
des Dalai Lama auserwählt,

doch die Weiterführung
seines Amtes ist heute bedroht.

Könnte der 14. Dalai Lama
der letzte sein?

Die Institution des
Dalai Lama ist keine gewöhnliche.

Vielleicht ist sie sogar

noch wichtiger als die
des Papstes im Christentum

oder des Shankaracharya
im Hinduismus.

Denn der Dalai Lama symbolisiert

den Geist und die Identität
einer Nation,

zusätzlich zu seiner Funktion
als religiöses Oberhaupt.

(Off): Tenzen Gyatso ist
der Erbe einer Linie von Mönchen,

die seit dem 17. Jahrhundert
über Tibet herrschen.

Er wurde am 6. Juli 1935
unter dem Namen Lhamo Döndrub

auf einem Bauernhof geboren.

Als er zwei Jahre alt ist,
erkennen abgesandte Mönche in ihm

die Reinkarnation
des 13. Dalai Lama,

der höchsten geistlichen Autorität
des tibetischen Buddhismus.

Hohepriester führen Tibet

nach einem stark kodifizierten
feudalen Modell.

Ihrem Oberhaupt, dem Dalai Lama,

obliegt auch
die weltliche Führung des Landes,

vom Potala-Palast in Lhasa aus.

Die Tibeter verehren den 14.
Dalai Lama als eine Art Gottkönig.

Er ist verantwortlich
für die Politik dieses Reichs,

das mit 2,5 Millionen
Quadratkilometern

fast ein Viertel
der Landfläche Chinas umfasst.

Das zentralasiatische Gebiet
ist in drei Provinzen unterteilt:

Kham, Amdo und Ü-Tsang,
mit den höchsten Bergen der Welt.

Im Laufe der Geschichte
fällt Tibet unter mongolische,

mandschurische
und britische Herrschaft.

1913 wird es formell
für unabhängig erklärt.

Ein freies Land
und ein freies Volk,

das der 14. Dalai Lama
regieren soll.

Er ist 15 Jahre alt,

als Mao Zedong im benachbarten
China anders entscheidet.

*Beklemmende Musik*

(Xia): Für Mao Zedong
war der Anschluss Tibets

an die Volkrepublik China,
die 1949 gegründet worden war,

ein wichtiges Ziel.

Während seiner Geschichte

hat Tibet enge Beziehungen
zu China unterhalten.

Und nun sollte Tibet endlich Teil

der großen chinesischen
Familie werden.

Die Tibeter lebten isoliert,

um ihre Religion und Kultur
zu schützen.

Und natürlich war die mangelnde
Verbindung zur Außenwelt

ein großes Manko.

Sie bekam nicht mit,
was dort geschah.

Der Völkerbund, der scheiterte,
die Vereinten Nationen.

Mein Volk hatte durchaus Chancen,
aber wir erkannten sie zu spät.

Wir haben
viele Gelegenheiten verpasst.

*Geheimnisvolle Klänge*

(Off): Wie Mao proklamiert auch Xi
Chen Ping, Tibet gehöre zu China.

Die natürliche Grenze
verlaufe im Himalaya,

und noch ein bisschen dahinter.

Seit 2020 führen
Vorstöße der chinesischen Armee

auf indisches Staatsgebiet

immer wieder
zu tödlichen Gefechten.

Gegenstand des Konflikts ist
eine 3500 Kilometer lange Grenze,

die keine ist.

Sie folgt
einem provisorischen Verlauf,

der Line of Actual Control,
über die sich die beiden Staaten

seit der Annexion Tibets streiten.

(Srikanth): Tibet bedeutete
für Indien jahrhundertelang

eine gewisse Sicherheit.

Die Briten im kolonialen Indien
bezeichneten es als Pufferzone,

es lag wie ein Kissen
zwischen den beiden Reichen.

(Off): Also Mao Zedong
1950 in Tibet einmarschiert,

hat er im Jahr zuvor die
Volksrepublik China ausgerufen.

Mit seiner Befreiungsarmee

will er im historischen China

den kommunistischen Kollektivismus
durchsetzen.

Für Tibet hat er große Pläne.

Das Feudalsystem der
Lama-Herrschaft soll abgeschafft

und die Weitergabe buddhistischen
Wissens unterbunden werden.

Vor allem aber will er das riesige
Süßwasserreservoir kontrollieren,

das den gesamten
asiatischen Kontinent speist.

In Tibet entspringen
sowohl die großen Flüsse Chinas,

der Jangtsekiang,
der Gelbe Fluss,

der Mekong
als auch heilige Flüsse Indiens,

der Indus,
der Brahmaputra

und zwei Zuflüsse des Ganges.

(Xia): Ich glaube,
bei der Besetzung Tibets

ging es Mao primär
um die geopolitische Lage,

nur in zweiter Linie
um die Ressourcen.

Tibet war eine natürliche Barriere
auf dem chinesischen Festland.

Durch die Kontrolle Tibets
könnte eine Infiltration

von indischer Seite,
aus dem Westen, verhindert werden.

Schließlich war Indien
eine ehemalige britische Kolonie.

Seine neue Ordnung
sollte überleben.

Dazu brauchte Mao
die Kontrolle über die Grenze.

(Off): Für das neue autoritäre
Regime in Peking bedeutet Tibet

Wasser vom Dach der Welt

und Kontrolle
über die indische Grenze.

Lange bevor
die Volksbefreiungsarmee

Tibet besetzt hat,

hatte Mao
seine Chinapläne offengelegt.

China brauche Tibet
als Landweg nach Südasien,

das wusste die ganze Welt.

Ein Jammer, dass sie Mao Zedong
erlaubt hat, Tibet einzunehmen.

Als die Chinesen 1950
in Tibet einmarschierten,

versuchte die tibetische Armee,
sie aufzuhalten.

Doch sie wurde schnell besiegt.

Das überraschte nicht,

denn die tibetische Armee
war winzig,

schlecht ausgebildet
und besaß keine modernen Waffen.

(Off): Tibets isolierte Lage,

die es Jahrhunderte
vor Invasionen geschützt hat,

wird ihm zum Verhängnis.

Nach der Annexion riegeln
die Chinesen das Land ab.

Im Mai 1951

unterzeichnen Delegierte
der tibetischen Regierung

ein 17-Punkte-Abkommen mit Peking,

das Tibets Anschluss an China
besiegelt

und den Tibetern im Gegenzug
weitgehende Autonomie

und Religionsfreiheit verspricht.

Jetzt, wo er an der Grenze steht,

kann Mao Indien herausfordern.

Zuerst reklamiert er
zwei neuralgische Gebiete,

den gesamten Norden von Ladakh,

den er in Aksai Chin umbenennt,

sowie den Bundesstaat
Arunachal Pradesh im Osten.

Der Himalaya-Staat, der 1914
Teil von Britisch-Indien wurde,

war ehemals tibetisches Land

mit zahlreichen
sehr alten Klöstern.

Tawang auf 3.000 Meter Höhe
ist für die Tibeter

ein Ort mit hoher Symbolkraft.

Seit den frühen 1950er-Jahren
passieren viele die Stadt

auf der Flucht
vor den chinesischen Besatzern.

Tawang ist für China vor allem
wegen des Dalai Lama wichtig.

Als der Dalai Lama nach Indien
floh, tat er das über Tawang.

Dort befindet
sich das zweitgrößte Kloster

außerhalb von Lhasa.

In dieser Gegend
wurde der 6. Dalai Lama geboren.

Es könnte ja noch
ein Dalai Lama geboren werden.

Das alles macht Tawang
so besonders,

und die Chinesen beanspruchen es
zusammen mit Tibet für sich.

(Tenzin): Als alle ihre Kolonien
auflösten, gründete China neue.

Das tun sie auch jetzt noch.

Die Briten, die Franzosen,
die Deutschen.

Alle zogen sich aus Asien zurück.

China dagegen fing an,
zu erobern und zu kolonisieren.

(Off): Wie lässt sich
die widerläufige Entwicklung

in Asien erklären?

Mitte des 20. Jahrhunderts

rivalisieren neue Großmächte.

Nach dem 2. Weltkrieg entstand
ein geopolitisches Schachbrett,

auf dem die alten Kolonialmächte
keine Rolle mehr spielen.

(Xia): Indiens Unabhängigkeit

setzte Mao und die
Kommunistische Partei unter Druck.

Es war unklar, wer im Kampf
gegen den Imperialismus

und Kolonialismus
die Führung übernehmen würde.

Indien oder China?

Natürlich wollte Mao nicht,
dass es Indien war,

und ich glaube,
deshalb wollte er auch unbedingt

die Kontrolle über Tibet,
um zu verhindern,

dass Indien
die Region kontrolliert

und China auf der
geopolitischen Bühne überholt.

Die USA und Großbritannien
hatten klar gesagt:

"Wenn ihr euch gegen Chinas
Invasion wehrt, helfen wir euch."

Aber Indien wollte nicht.

Also hat China Tibet besetzt,
und das Ergebnis sehen wir heute.

(Off): Jawaharlal Nehru, der neue
Führer des unabhängigen Indiens,

will sich vom Westen
nichts vorschreiben lassen.

Wie Mao
will er die Entscheidungen

für seine riesige Nation
selbst treffen.

Der geistige Sohn
und Weggefährte Gandhis,

dessen gewaltfreier Widerstand

Indien in die Unabhängigkeit
geführt hat,

will Diplomatie statt Krieg.

(Manoj): Premierminister Nehru
hoffte wirklich,

die Chinesen würden
ein autonomes Tibet akzeptieren.

ohne ein Großaufgebot chinesischer
Streitkräfte in Tibet.

Nehru hielt das kommunistische
System für gut,

und Mao für einen großen Führer.

Er glaubte Mao,
als der versprach:

"Wir werden die Tibeter
gut behandeln."

So naiv
darf keine Regierung sein.

Nehru beging damals
einen schweren Fehler.

(Off): Selbst als Maos Truppen
aufmarschieren,

vertraut Nehru ihm weiter.

Er glaubt
an das sozialistische Ideal

und betrachtet Chinas Führer
nicht als Feind.

Zudem hat er andere Sorgen.

Er muss Indien
aus der Armut führen.

Für einen Grenzkonflikt
fehlen ihm schlicht die Mittel.

(Srikanth):
Die kommunistische Partei Chinas

kam mit Waffengewalt an die Macht,
Indien mit der Einstellung:

"Wenn dich einer schlägt, halte
ihm auch die andere Wange hin."

Was für ein Gegensatz!

Diese Grundhaltung hat die Politik
des unabhängigen Indiens geprägt.

*Motorengeräusch*

(Off): Was die Politik
damals ebenfalls prägt,

ist der eiserne Vorhang, der
die Welt in zwei Lager teilt.

Auf der einen Seite
Amerika und Westeuropa,

die sogenannte freie Welt.

Und auf der anderen Seite

die Sowjetunion

mit ihrer autoritären
kommunistischen Einheitspartei.

Trotz der Annexion Tibets
und Chinas offener Feindseligkeit

lehnt Nehru das System der Blöcke
ab und wählt einen dritten Weg:

Neutralität.

Zusammen mit den Staatschefs
von Ägypten, Indonesien

und Jugoslawien
gründet der indische Premier

die Bewegung
der blockfreien Staaten

und mischt
die geopolitischen Karten neu.

Im April 1955
legt die Bandung-Konferenz

auf der indonesischen Insel Java

den Grundstein für die Bewegung.

29 asiatische
und afrikanische Staaten,

die sich vom Diktat des Westens
befreien wollen, nehmen teil.

Während der Rest der Welt
Maos China isoliert,

beschließt Nehru zu verhandeln.

(Srikanth): In den 1950er Jahren
war die Volksrepublik China

ein Pariastaat.

Nur rund 50 Länder
hatten sie anerkannt.

Sie besaß
keine internationale Legitimität.

Und Nehru war sich bewusst,

dass es
keine britische Armada mehr gab,

um das unabhängige Indien
zu verteidigen.

Also wollte er mit Diplomatie
versuchen, China zu erreichen.

(Off):
Ob aus Blindheit oder Naivität,

wieder reicht Nehru
China die Hand.

Nicht ahnend,
was in Tibet geschieht,

nicht ahnend, dass Rotgardisten
auf der anderen Seite des Himalaya

kolonisieren und unterdrücken,
unterzeichnet Indien

ein Abkommen
über eine friedliche Koexistenz.

Damit akzeptiert es
die Annexion Tibets

und gibt Mao freie Hand.

Und der beginnt sein Sinisierungs-
und Industrialisierungsprogramm

in dem Gebiet, das 1965
zum autonomen Gebiet Tibet wird.

Autonom allerdings
nur dem Namen nach.

Kaum erobert,
wird Tibet von China bereits

um mehr als die Hälfte seines
historischen Territoriums beraubt.

Von Lhasa aus kann der Dalai Lama

das Ausmaß des chinesischen
Beutezugs nicht ermessen.

Überzeugt, dass seine
zu hierarchische Gesellschaft

reformiert werden muss,

setzt auch der junge geistliche
Führer auf Dialog.

Er wird nach Peking eingeladen

und hört dort über Monate
alle Doktrinen, die aus ihm

einen guten Funktionär Chinas
machen sollen.

(Tenzing): Der Dalai Lama war jung
und ein progressiver Geist.

Vermutlich war er beeindruckt
von dem, was er in China sah,

und wünschte sich
diesen Fortschritt auf für Tibet.

Ich nehme an, dass er zumindest
eine Zeit lang geglaubt hat,

die Chinesen würden
den Tibetern helfen

und zu ihrem Wort stehen,

ihnen innenpolitische Autonomie
zu gewähren.

*Beklemmende Klänge*

Entgegen der Zusicherung
einer friedlichen Befreiung Tibets

beginnt Maos Armee,

Klöster zu zerstören,

Mönche zu schikanieren

und ganze Dörfer in Angst
und Schrecken zu versetzen.

Als der Dalai Lama
seinen Fehler erkennt,

ist die Vernichtung Tibets als
kulturelle und ethnische Einheit

bereits in vollem Gange.

Während eines Besuchs
in Indien 1956 informiert er

den indischen Premier über das
Drama, das sich in Tibet abspielt,

und bittet um politisches Asyl.

Aber Nehru lehnt ab,

aus Angst, Mao zu provozieren,

dessen gefürchtete Volksarmee
an der Grenze steht.

Ernüchtert kehrt der Dalai Lama
nach Lhasa zurück.

Er weiß,
sein Volk muss sich entscheiden:

die Besatzung zu erdulden,

ins Exil zu gehen
oder Widerstand zu leisten.

*Beklemmende Klänge*

(Off): Anfangs weigern sich viele,

ihre tibetische Heimat
zu verlassen.

Die Mutigen greifen zu Waffen,

heimlich unterstützt
und ausgebildet von den USA.

Es gab viel Widerstand
unter den Tibetern.

Sie kämpften gegen die Chinesen,

anfangs nur mit ihren
eigenen beschränkten Mitteln.

Einige hatten Schwerter,
manche Schusswaffen.

Doch als die Amerikaner
erkannten,

dass diese Guerillas die Chinesen
zurückdrängen könnten,

organisierten sie
ihre Unterstützung.

Die indische Regierung
erlaubte ihnen stillschweigend,

den Tibetern zu helfen.

*MG-Salven*

(Tenzing): Der tibetische
Widerstand

nannte sich
Chushi Gangdrug,

Land der vier Flüsse
und sechs Gebirge.

Die Bewegung brauchte
dringend Unterstützung.

Die USA, besorgt
über den Aufstieg des Kommunismus,

brauchten Kämpfer
gegen die Kommunisten.

So wurden die Tibeter Teil der
US-Strategie des Kalten Krieges.

(Off): Da sich die CIA in China

und Indien offiziell
nicht einmischen kann,

baut sie ein geheimes
Versorgungsnetzwerk auf

und organisiert die Ausbildung
tibetischer Widerstandskämpfer

in den Bergen von Colorado.

Lhamo Tsering,
der Vater von Tenzing Sonam

war ein Verbindungsmann
zwischen Chushi Gangdrug

und dem US-Geheimdienst.

(Tenzing): Mein Vater gehörte
zur ersten Gruppe,

die von der CIA in Amerika
ausgebildet wurde,

in Spionage,
Guerilla-Kriegsführung

und Nachrichtenbeschaffung.

Das sind Fotos von Leuten,

die zur Ausbildung
in Colorado waren.

Einige sind noch sehr jung.

Manche wurden als Dolmetscher
ausgebildet, andere für den Kampf.

Und dieses Buch, das sich
im Nachlass meines Vaters befand,

ist ein interessantes Zeugnis.

Es ist ein Handbuch
der Guerilla-Kriegsführung,

komplett in Tibetisch geschrieben,

mit sehr detaillierten Zeichnungen
von Guerilla-Methoden.

Diese Zeichnung z.B. zeigt,

wie man einen Lastwagen angreift,
wo die Schwachstellen sind.

*Schüsse*

(Off): Über viele Jahre

unterstützt die CIA
den tibetischen Widerstand,

in den 1960er-Jahren
auch finanziell,

mit 1,7 Millionen Dollar pro Jahr.

Sie filmt sogar
einige Sabotageangriffe

auf Militärkonvois.

Doch der Widerstand
ist den chinesischen Truppen,

deren Quartier in der Hauptstadt
Lhasa ist, nicht gewachsen.

Ihrer Stimme
und ihrer Rechte beraubt,

lebt die Bevölkerung in Angst.

Als das Leben des Dalai Lama
in Gefahr scheint,

kommt es am 10. März 1959
zum Aufstand.

Es ist der erste in einer
langen Geschichte des Widerstands,

und er wird blutig
niedergeschlagen.

Um seiner Verschleppung
zu entgehen,

flieht der Dalai Lama nachts
als Bauer verkleidet aus Lhasa.

Nach drei Wochen
zu Fuß durch die Berge

erreicht er am 30. März
die indische Grenze.

Während der Dalai Lama
ins Exil geht, brennt Lhasa.

Die Volksarmee zerstört die Stadt

und überzieht die Bevölkerung
mit Repressionen.

Tenzin Gyatso ist 23,
als er in Indien Schutz sucht.

Er erklärt das 17-Punkte-Abkommen,

das Tibet acht Jahre zuvor
unterzeichnet hat,

für ungültig.
Es sei eine Falle gewesen.

Diesmal verschließt Nehru
ihm nicht die Tür.

Getragen von Gandhis Traum
eines säkularen Indiens

gewährt er dem Oberhaupt
eines vertriebenen Volkes Asyl.

Zudem gibt es eine Verbindung
zwischen Indern und Tibetern,

denn Indien ist
die Wiege des Buddhismus.

*Gong; sie beten*

(Off): Der Dalai Lama lässt sich

im Norden des Landes,
in Dharamsala, nieder.

Tausende Vertriebene
werden ihm hierher folgen.

Bis heute ist dieser Zufluchtsort

politischer und geistlicher Sitz
der Tibeter.

*Tonintervalle*

Infolge der
chinesischen Invasion in Tibet

suchten 65.000 bis 70.000 Tibeter
Zuflucht in Indien.

Im Gegensatz
zu vielen anderen Regierungen,

die sich nicht mit China
anlegen wollten,

nahm die indische Regierung
die Flüchtlinge auf.

Sie durften hier
ihre Exilregierung einrichten,

und der Dalai Lama konnte sich
mit seinem ganzen Apparat

in Dharamsala niederlassen.

Dharamsala wurde für die Tibeter

und seine Heiligkeit,
den Dalai Lama, zur Heimat.

Von da würden wir gern
nach Tibet zurückkehren.

Anfangs lebten hier
etwa 400 Tibeter,

heute sind es 14.000.

Einige der
wichtigsten Organisationen,

Institutionen, Schulen
und Klöster sind hier.

Für uns Tibeter ist es
ein Ort der Hoffnung.

*Beklemmende Musik*

(Off):
Dharamsala wird zu "Klein-Lhasa",

der Hauptstadt
der tibetischen Exilgemeinschaft.

Hier stellt der Dalai Lama

die Weichen
für eine demokratische Regierung

und versucht, die Kultur
seines Volks zu bewahren.

(Shivshankar):
Eine der weisesten Entscheidungen,

die Nehru und er
bei seiner Ankunft 1959 trafen,

war, sich auf den Erhalt
der tibetischen Kultur

und die Praxis des tibetischen
Buddhismus zu konzentrieren.

Sie bauten Schulen für die Kinder

und ermöglichten es
der Exilgemeinschaft,

ihren traditionellen Lebensstil
beizubehalten.

Das muss dringend
geschützt werden.

Der Dalai Lama
wurde als religiöser

und spiritueller Führer in Indien
aufgenommen, nicht als Oberhaupt

eines souveränen Staats,
sondern aus humanitären Gründen.

Doch für China war es
die indische Unterstützung

separatistischer Bestrebungen
in Tibet.

(Off): Mao ist erzürnt über die
gelungene Flucht des Dalai Lama.

Nicht nur, weil er sich von Nehru
betrogen fühlt, sondern auch,

weil Tibet durch den Dalai Lama

und die Exilregierung
weiterbesteht,

und die Tibeter weiter hoffen,
ihr Land zurückzubekommen.

Eine Demütigung für China,

zumal Tibets Schicksal zunehmend

die internationale Gemeinschaft
bewegt.

Der Dalai Lama
ist in allen Medien,

er ziert sogar die Titelseite
des berühmten "Time Magazine".

Innerhalb weniger Jahre
führt der 14. Dalai Lama

Tibet aus der Anonymität.

Er reist um den Globus,
trifft Staatschefs,

Journalisten und Vertreter
internationaler Organisationen,

damit die Welt
vom Leid seines Volkes erfährt.

Flüchtlinge, Pilger und Promis
strömen nach Dharamsala,

um ihn zu sehen.

Tibets Exilregierung

erhält finanzielle Unterstützung
von Indien, den USA

und auch von vielen
karitativen Stiftungen.

Mit 300 Angestellten
und einem Jahreshaushalt

von 14 Millionen Dollar

hängt sie
am internationalen Tropf.

Da sie keinen Staat
im Staat bilden kann,

ist sie in allen
hoheitsrechtlichen Fragen

an Indien gebunden.

Mit dem Blick
auf demokratische Reformen

gründet der Dalai Lama
ein Parlament,

das die internen Angelegenheiten
der Gemeinschaft regelt.

(Youdon): Das Parlament
war die erste Institution

nach Einsetzung der Exilregierung.

Mit der Zeit wurde dort viel

über die politische
Zukunft Tibets nachgedacht.

Seine Heiligkeit, der ja auch
unser politisches Oberhaupt ist,

suchte immer mit allen
um sich herum das Gespräch.

Darüber, wie wir uns an die
Bedingungen draußen anpassen

und gleichzeitig unsere Kultur
am Leben halten können.

*Meditative Klänge*

(Off): Der Dalai Lama

vertritt die institutionellen
Grundsätze einer Demokratie.

Doch trotz aller Anstrengungen,

die ehemalige tibetische
Theokratie zu modernisieren,

wird seine Exilregierung
von keinem Staat anerkannt.

Bis heute nicht.

*Marschmusik*

*Beklemmende Musik*

(Off): Da an den Dalai Lama
nicht heranzukommen ist,

verlagert sich der Tibetkonflikt
an die chinesisch-indische Grenze.

Mao verstärkt
seine bewaffneten Truppen,

fordert Tibet ständig heraus.

1960 schickt er sogar
Vertreter nach Neu-Delhi,

die den neuen Grenzverlauf
mit Indien aushandeln sollen.

Die Verhandlungen
geraten zur Farce.

(Manoj): Sie hätten die Grenze
in Verhandlungen festlegen sollen.

Aber das ist nicht geschehen.

Die Chinesen
ließen das Thema ruhen,

und die Inder dachten,
die Chinesen sagen nichts,

weil sie die Grenze anerkennen.

Aber 1959 drehte der Wind,

und die Chinesen stellten
die gesamte Grenzlinie in Frage.

Da hatten sie bereits
große Teile von Ladakh besetzt

und eine Straße
durch das Gebiet gebaut,

wovon die Inder bis 1957, -58
nichts ahnten,

als sie ihre Ansprüche
geltend machen wollten.

(Off):
Mao will Tatsachen schaffen.

Er lässt in großer Höhe
Straßen bauen,

die niemand überwachen kann.

Nehru war es nie
in den Sinn gekommen,

in dieser unwirtlichen,
kaum bewohnten Bergregion

Verkehrswege zu errichten.

Und Mao nutzt
diesen blinden Fleck, da er weiß,

dass die Kontrolle der Straßen
entscheidend ist

für seine "Kolonisierungspläne".

(Shivshankar): Die Chinesen
erklärten ihre Gebietsansprüche.

Sie wollten das gesamte Gebiet des
heutigen Arunachal und Aksai Chin.

Die Truppen trafen
erstmals aufeinander.

Beide Seiten versuchten,

bis an ihre Grenzlinie
vorzurücken,

und es kam zu Feuergefechten.

Mit den Angriffen
auf die indische Grenze

wollte China
Nehrus Regierung sagen:

Tibet existiert nicht mehr.

Das ist jetzt unsere Grenze, die
Grenze zwischen Indien und China.

Das Thema Tibet ist beendet.

(Medha): In den 1950er-Jahren

verließ sich Nehru
auf die Himalaya-Kette

als natürlichen Grenzwall.

Aber nun war diese Grenze,
der Himalaja, durchbrochen.

Und das konnte
einen Dominoeffekt auslösen

auf die außenpolitische Lage

zwischen den südasiatischen
Nachbarn und China,

oder Indien und China.

*Getöse*

(Off): Die ständigen Provokationen
heizen den Konflikt an.

1962, drei Jahre nach der Flucht
des Dalai Lama,

kommt es zum offenen Krieg.

Im Oktober überschreiten
80.000 chinesische Soldaten

in den umkämpften Gebieten
Aksai Chin und Arunachal Pradesh

die Grenze.

Die indische Armee ist auf einen
solchen Ansturm nicht vorbereitet.

Auch wenn sie
alle wehrfähigen Männer einberuft,

hat sie keine Chance gegenüber
der chinesischen Übermacht.

Indien erlebt ein Debakel:

Fast eintausend Soldaten
werden getötet,

10.000 gefangen genommen.

Nehru wendet sich
an seinen amerikanischen Freund,

trotz seiner Prinzipien
der Blockfreiheit.

(Nehru):
Wegen der bevorstehenden Bedrohung

benötigen wir Hilfe
aus dem Ausland.

Die Länder, die Waffen liefern,
akzeptieren unsere Blockfreiheit.

Wir können uns nicht ergeben.

Aber der Konflikt,
in dem wir uns befinden,

darf auch nicht
zu einem Weltkrieg werden.

(Off): In dieser Zeit steckt
John F. Kennedy in der Kubakrise.

Sowjetische Atomraketen
sind unterwegs nach Kuba.

Der Kalte Krieg
ist auf dem Höhepunkt.

Das Schicksal Tibets ist
für die Amerikaner zweitranging.

Dennoch schicken sie
Ausrüstung und Waffen.

Nicht genug, um damit den Konflikt

zwischen den beiden
asiatischen Giganten zu lösen.

Doch wider aller Erwartung

beendet Mao den
chinesisch-indischen Grenzkrieg

im November 1962

mit einem einseitigen
Waffenstillstand.

Er hat bekommen, was er wollte:

Aksai Chin im Norden von Ladakh

und damit Zugang zum südlichen
und westlichen Teil des Gebiets,

und im Osten
weite Teile von Arunachal Pradesh

mit der symbolträchtigen Stadt
Tawang.

Eisige Kälte
und Versorgungsprobleme

zwingen die chinesischen Truppen
zum Rückzug.

Arunachal Pradesh bleibt indisch,

aber Mao verspricht,

es in den Schoß Chinas
zurückzuholen.

Trotz des Verlusts eines der
heiligsten Gebiete des Buddhismus

konnte Nehru viele der nach Indien
geflüchteten Tibeter retten.

Der Preis
war ein neuer Grenzverlauf.

(Manoj): Die Chinesen sprachen von
einer "faktischen Kontrolllinie".

Indien lehnte den Begriff ab,

weil diese Kontrolllinie
nie definiert worden war.

Bei den Verhandlungen
präsentierten zwar

beide Seiten eine Karte,

aber darauf markierte der Verlauf
eher ein ungefähres Gebiet,

und das reicht nicht für eine
zwischenstaatliche Grenze.

(Srikanth): Mao bestimmte,
aus der friedlichen Koexistenz

müsse jetzt
eine bewaffnete Koexistenz werden.

Diese werde
in den nächsten 30 Jahren

den Frieden an der Grenze zwischen
Indien und China sicherstellen.

(Off): Statt den Frieden
zu sichern, wird die Kontrolllinie

zum Zankapfel
der kommenden Jahrzehnte.

Die von Mao verhängte
bewaffnete Koexistenz

währt nicht lange.

Begleitet von Aggressionen
und Truppenverstärkungen

auf beiden Seiten,
schwelt der Konflikt bis heute.

*Beklemmende Musik*

(Off): Indirekt ist
dieser vage Grenzkompromiss

für Tibet fatal.

Es ist dem chinesischen Terror
ausgeliefert,

ohne dass die Welt
Notiz davon nimmt.

Tibet verschwindet
von der Landkarte.

Nun nicht mehr
im Fokus der Aufmerksamkeit,

setzt China seine
Unterdrückungsmaschinerie in Gang:

Landnahme, Umerziehung,
Inhaftierung von Dissidenten.

Die Auslöschung alter Kulturen

ist Teil der von Mao
ausgerufenen Kulturrevolution.

Zwischen 1966 und 1976

fordert sie Millionen Opfer
in ganz China.

In Tibet werden nach Säuberungen
durch die Roten Garden

Hunderte Han-Chinesen-Familien
angesiedelt,

um die neue Provinz
zu sinisieren.

(Xia): Ihre Ziele lauteten
Kollektivierung,

Abschaffung von Privateigentum,
Staatskommunismus und -atheismus

durch Auslöschung
sämtlicher Religionen.

(Tenzin Dawa): Alle sollten
Chinesisch sprechen,

chinesisch essen
und leben wie gute Volks-Chinesen.

Mit diesen Maßnahmen

wollten sie
die Tibeter sinisieren.

Sie wollten
alle ethnischen Minderheiten

zu einer chinesischen
Nation verschmelzen.

Einer Nation, in der alle
treu zur Partei stehen,

keiner die Regierung kritisiert
und jeder genau das macht,

was der Staat ihnen vorschreibt.

(Shivshankar): Warum errichtet
China einen Sicherheitsstaat?

Weil die chinesische Gesellschaft,
die Wirtschaft,

schwer zu kontrollieren war,

vor allem in Gebieten mit engen
Bindungen außerhalb von China.

Im Fall von Xinjiang
der Islam,

der Dalai Lama
und die Exilgemeinschaft

im Fall von Tibet.

Das waren interne Kräfte.

(Off): Der buddhistische Klerus
wird dezimiert.

Klöster und religiöse Feste werden
von der Propaganda überwacht.

Der Dalai Lama soll
aus den Köpfen verbannt werden.

Für die Tibeter,
die ihn ungebrochen verehren,

wird er zur heimlichen Ikone,

da sie sonst verhaftet werden.

*Beklemmende Musik*

(Dalai Lama): Manchmal bin ich
sogar der Grund für ihr Leid.

Sie haben so viel Hingabe.

Doch den Dalai Lama zu verehren
ist ein Verbrechen.

Das allein reicht,
um bestraft zu werden.

*Beklemmende Musik*

(Tenzin):
Wenn Tibeter verhaftet werden,

verschwinden sie oft monate-,
wenn nicht jahrelang in Lagern.

Die Chinesen nutzen
die geheimen Internierungen,

um die Gefangenen zu foltern
und zu verhören

und ihnen in Umerziehungskursen

Loyalität zur Regierungspartei
beizubringen.

*Beklemmende Klänge*

(Off):
Die Repressionen in Tibet bleiben.

Das annektierte Land,
nun eine Provinz Chinas,

wird streng überwacht.

Bis heute ist jede Form
von Widerstand verboten

und die Grenze
besser gesichert denn je.

Wer fliehen will,

riskiert, abgefangen
und weggesperrt zu werden.

(Off): Immer weniger Tibeter
gehen dieses Wagnis ein.

Tsering Dawa ist einer
der letzten Flüchtlinge,

die es 2021 nach Dharamsala
geschafft haben.

Doch bevor ihm die Flucht gelang,

saß er
in einem chinesischen Gefängnis.

(Tsering):
Ich hatte in einer WeChat-Gruppe

Kontakt zu einer Frau
in Dharamsala. Ich sagte zu ihr:

"Du hast es gut,

du lebst in der Nähe
Seiner Heiligkeit.

Du bist in Freiheit.

Wir sind nicht frei."

Und dieses Gespräch
hat die Kommunistische Partei

offenbar mitgeschnitten.

Ich kam ohne Prozess
direkt ins Gefängnis.

Sie haben Hände und Fußgelenke an
einen Stuhl wie den da gefesselt

und mich tagelang
immer hin und her gekippt.

Drei Tage und Nächte lang,
es war die Hölle.

Ich saß
in meinen eigenen Exkrementen,

ich hatte überall Wunden.

Es war eiskalt.

*Bedrückende Klänge*

(Tsering):
Sie sagten, es sei verboten,

Kontakt zu jemandem
in Indien zu haben.

Sie hatten das Gespräch
mit dieser Frau aus Dharamsala

auf einem Din-A4-Blatt notiert.

Sie hatten es transkribiert
und übersetzt, jedes Wort.

Sie gingen Satz für Satz durch,
Wort für Wort, und fragten:

"Warum hast du das gesagt?
Und warum das?

Und was wolltest du
von dem Mädchen?"

Ganze elf Monate
haben sie mich dort festgehalten.

(Off): Die chinesischen
Geheimdienste filtern alles.

Ihr Ziel seit nunmehr 70 Jahren:

Niemand soll erfahren,
was in Tibet vor sich geht.

Doch der Widerstandsgeist
ist ungebrochen,

und einige Tibeter
gehen große Risiken ein,

um Informationen
nach draußen zu schmuggeln.

Eine Handvoll Medien,
finanziert vom US-Kongress,

geben diese Informationen
von den USA aus weiter.

In Washington
ist "Radio Free Asia"

das Sprachrohr
des tibetischen Volkes.

(Kalden):
In China können meine Kollegen

mit Anwälten telefonieren, um über
angeklagte Personen zu sprechen.

Sie können
mit Familienangehörigen reden.

In Tibet traut sich niemand,
den Mund aufzumachen,

es ist unmöglich,
mit jemandem zu sprechen.

Es ist also sehr schwierig,

an Informationen aus Tibet
zu kommen.

Manchmal denke ich sogar,

es ist schwieriger,

als Infos aus Nordkorea
zu beschaffen.

Aber es ist möglich,
mit sehr viel Geduld und Vorsicht.

Die Quellen müssen
geschützt werden.

Denn wer dabei erwischt wird,

Infos an die Außenwelt
weiterzugeben,

landet im Gefängnis.

(Off): Der Westen ergreift
keine politischen Maßnahmen,

um gegen die Übergriffe in Tibet
zu protestieren,

doch er stellt Gelder bereit
und unterstützt

Menschenrechtsorganisationen
in ihrer Arbeit.

Die Vereinten Nationen haben
mehrere alarmierende Berichte

über die Unterdrückung
und Umerziehung

vor allem der jungen Tibeter
veröffentlicht.

(Fernand):
Es gibt schwere Anschuldigungen.

Z.B. sollen eine Million
Kinder in Zwangsinternaten sein.

Sie werden aus ihrem Umfeld,
ihrer Familie gerissen

und in Schulen
und Dörfer gesteckt,

die weit weg
von ihrem Zuhause sind,

ihrer Sprache,
Kultur und Religion.

(Fernand):
Wurden je zuvor so viele Kinder

von ihrer Gemeinde, ihrem Volk,
ferngehalten?

(Off): Laut einem UN-Bericht

wird mehr als eine Million
tibetischer Kinder

in chinesischen Internaten
unterrichtet.

Meist schon mit fünf Jahren
von ihren Familien getrennt,

werden sie dort politisch
indoktriniert

und von ihrer eigenen Tradition
abgeschnitten.

(Fernand): Es ist eine Politik
der Zwangsassimilation,

die diskriminierend ist.

China versucht, die tibetische
Kultur und Sprache auszulöschen,

dieses Wort ist
durchaus zutreffend.

Ich würde sogar von kulturellem
Völkermord sprechen.

(Off): Kultureller Völkermord,
Ethnozid.

Die Vorwürfe wiegen schwer,

bleiben aber folgenlos.

(Fernand):
Die politische Lage in China macht

eine Präsenz der UNO zum Schutz
der Menschenrechte unmöglich.

Das ist die momentane
diplomatische Realität.

Dennoch bin ich optimistisch,

dass die Aufmerksamkeit
der internationalen Gemeinschaft,

dass ein gewisser Druck,
auch durch die UNO,

Veränderungen bewirken

und die Volkrepublik China
zu einem Kurswechsel bewegen kann.

(Off): Wie lässt sich
angesichts solcher Behauptungen

die diplomatische Ohnmacht

gegenüber dem Regime in Peking
erklären?

Im internationalen Kräftespiel

überlagern
wirtschaftliche Interessen

die Sorge
um die Grundrechte der Tibeter.

*Kinder singen im Chor*

(Off): In den späten 1960er-Jahren

verdrängt
der Wirtschaftsliberalismus

die Ideologie des Kalten Krieges,

und die USA ändern ihre Haltung.

(Ziegler):
Die USA erlauben den freien Export

nichtstrategischer US-Produkte
nach China.

Die USA erlauben auch erstmals
kommerzielle Einfuhren aus China.

(Tenzing): Die USA wollten ihr
Verhältnis zu China verbessern,

und China stellte
zwei Bedingungen:

Die USA sollten Taiwan nicht mehr
als souveränen Staat anerkennen,

und aufhören, den tibetischen
Widerstand zu unterstützen.

(Off): Im November 1971

fassen die Vereinten Nationen
in New York einen Beschluss,

der wenige Monate zuvor
noch undenkbar schien.

Die Volksrepublik China
triumphiert über die freie Welt.

(Bush): Herr Präsident,

als Vertreter des Gastlandes
möchte ich bekräftigen:

Auch die USA heißen die Vertreter
der Volksrepublik China

in den Vereinten Nationen
willkommen.

Der historische Moment
ist gekommen,

in dem die Volksrepublik China
Teil der Vereinten Nationen wird.

Die USA, deren Bevölkerung
dem großen chinesischen Volk

lange freundschaftlich
verbunden ist,

sind zuversichtlich, dass wir
mit einem erneuten Bekenntnis

zu den Grundsätzen der Charta

Frieden und Gerechtigkeit
in der Welt erreichen können.

(Tenzing): Die Tibeter fühlten
sich ans Messer geliefert,

denn in ihrer Vorstellung
war die CIA gleichzusetzen

mit der US-Regierung,

die sie doch in ihrem
Freiheitskampf unterstützte.

Es war ein Verrat.

(Off): Der neue Kurs der USA
ist wie eine Ohrfeige für Tibet.

Offiziell bestätigt wird er,
als Richard Nixon

drei Monate später
nach China reist,

um Mao Zedong zu treffen.

Dieser Handschlag
geht in die Geschichte ein.

Die USA wollen
von der Arbeitskraft

der großen chinesischen
Bevölkerung profitieren.

Und China bot den USA
einen Deal an:

Wir haben zu viele Münder
zu stopfen,

und ihr habt zu viele Dollar.

Investiert ihr in China,
produzieren wir, was ihr wollt,

ohne dass ihr euch
die Hände schmutzig macht.

(Off): Mao hat es
vor allen anderen verstanden:

Niemand wird auf Dauer ablehnen,
was China zu bieten hat.

Der historische Handschlag
öffnet die Tür

zu einem riesigen Markt
und billigen Arbeitskräften.

Vergessen der Kalte Krieg

und der erbitterte Kampf
gegen Kommunisten.

China wird schon bald
zur größten Fabrik der Welt.

Was bedeuten da ein Ethnozid

und ein völkerrechtswidrig
annektiertes Gebiet?

Von der internationalen
Gemeinschaft im Stich gelassen,

beginnt für die Tibeter
eine Durststrecke.

Doch die Exilregierung
in Dharamsala gibt nicht auf

und bereitet eine ganze Generation
auf die Rückkehr vor.

(Tenzin): In Indien müssen wir

einzig Tibets Freiheit
wiedererlangen.

Wir dürfen nicht schwach sein.

Um die Freiheit wiederzuerlangen,

sind gesunde,
gebildete Menschen nötig.

Deshalb müssen wir unsere Stimme,

unsere Erzählung
nach außen tragen.

Wir müssen sichtbar sein.

Und bis jetzt sind wir das.

*Sprechchor*

(Off): Um sichtbar zu bleiben,

geht die tibetische Diaspora
auf die Straße,

zuerst in Indien,

dann in den Hauptstädten der Welt.

Der 10. März, der Tag,

an dem 1959
der Aufstand in Lhasa begann,

wird zum Symbol des Widerstands.

Doch damit die Tibet-Frage
wieder aufgegriffen wird,

reichen Demonstrationen nicht aus.

Im Juni 1988

bricht das spirituelle
und politische Oberhaupt

sein Schweigen.

Da China inzwischen ein wichtiger
Handelspartner des Westens ist,

muss der Dalai Lama
Zugeständnisse machen.

*Beklemmende Musik*

(Off): Gegenüber dem
Europäischen Parlament

wägt er jedes seiner Worte ab.

Er verzichtet auf den Anspruch
der Unabhängigkeit

und schlägt stattdessen
einen Mittelweg vor.

(Dalai Lama): Es ist an der Zeit,
eine Art Mittelweg zu finden.

Aber...

Wissen Sie, die Tibeter,

innerhalb und außerhalb Tibets,

wollen zwar eine
vollständige Trennung von China,

einen unabhängigen Staat.

Aber das ist ganz offensichtlich
schwer zu erreichen.

(Off):
Autonomie statt Unabhängigkeit,

ein vermeintlich
kleiner Unterschied,

der aber die bisherigen Ziele von
Tibets Freiheitskampf untergräbt.

Die Forderung nach Autonomie
bedeutet anzuerkennen,

dass Tibet
zur Volksrepublik China gehört,

wenn auch mit anderem Status.

Auf die Unabhängigkeit
zu verzichten,

ist ein großes Zugeständnis
an das chinesische Regime.

Zunächst stößt die Idee
des Mittelwegs

bei vielen Exil-Tibetern
auf Unverständnis,

doch nach und nach stellen sich
die politischen Instanzen

hinter den weisen Vorschlag
ihres Führers.

(Youdon): Wenn ich gefragt werde,
ob ich die Unabhängigkeit will:

Klar will ich sie.

Aber verhandelt man mit jemandem,
der das eigene Land besetzt hat

und in einer ungleich
stärkeren Position ist,

muss man eine Lösung finden,
mit der beide Seiten leben können.

Und das hatte wohl auch
Seine Heiligkeit im Sinn.

Ich denke,
der Mittelweg ist ein guter Weg.

(Xia): Der Dalai Lama misstraut
der Führung der KP Chinas.

Wenn er den Mittelweg propagiert,
glaubt er nicht wirklich

an eine Einigung mit der KP

und dass sie seinen Vorschlag
akzeptieren.

Aber er hat
eine langfristige Vision, nämlich,

dass das chinesische Volk
irgendwann selbst

Freiheit und Demokratie
einfordern wird.

Der Mittelweg ist also auch
für die Han-Chinesen gedacht.

(Off): Die Idee des Mittelwegs

geht auf den
buddhistischen Glauben zurück,

in dem alle Extreme
gemieden werden,

um Erleuchtung zu erlangen und
irdisches Leiden zu überwinden.

Der Dalai Lama sendet

damit eine Botschaft der Hoffnung
an seine Landsleute,

aber auch an die Chinesen.

(Dalai Lama): Wir respektieren
die Rechte der anderen.

Wir sind nicht nachtragend
oder zornig.

Wir stellen uns nicht...

gegen unsere Nachbarn.

Ich glaube
an den menschlichen Willen.

Daran, dass wir die Unterdrückung

langfristig überwinden werden.

(Off): Im September 1987

fordert der Dalai Lama
vor dem US-Kongress

eine "entmilitarisierte
Friedenszone" in Tibet.

Peking reagiert mit Argwohn
und beschuldigt den Dalai Lama,

die separatistischen Bestrebungen
im Land zu fördern.

In Lhasa kommt es
zu blutigen Protesten.

(Moderatorin): Laut
Volkstageszeitung zettelten

einige Separatisten
schwere Unruhen in Lhasa an.

Regierungsstellen und Geschäfte
wurden angegriffen.

(Off): Die Proteste
ziehen sich über mehrere Monate.

Die Polizei schießt in die Menge,
Hunderte Mönche werden verhaftet.

Im März 1989
verhängt die Regierung

des Autonomen Gebiets Tibet
das Kriegsrecht.

Die aufgeheizte Stimmung
beunruhigt die KP.

*Ambulanzsirene*

(Off): Zumal auch im übrigen China

vor allem bei jüngeren Leuten
der Ruf nach Freiheit laut wird.

In den letzten Jahren hat sich

unter den Studenten
viel Wut angestaut.

Beeinflusst von Reformbestrebungen
in der Sowjetunion

haben sie genug
von kommunistischer Propaganda

und fordern ebenfalls
mehr Demokratie.

(Mann): Es herrscht mittlerweile
allgemeine Unzufriedenheit

in allen sozialen Schichten.

Auch und vor allem
bei Lehrern und Intellektuellen,

die sich in diesem Punkt
einig sind.

Wir gehen auf die Straße,

um die Studenten zu unterstützen

und um die Forderung
zu bekräftigen,

dass die Regierung unverzüglich
Gespräche aufnehmen

und ihren Reformkurs
fortsetzen muss.

(Off): Doch diese Ereignisse in
Peking hat niemand kommen sehen.

Niemand hätte erwartet,
dass Deng Xiaoping,

der neue Parteiführer, befiehlt,

auf Demonstranten zu schießen.

*Düstere Musik*

*Getöse*

(Off): Diesmal funktioniert
die Abschottung nicht.

Die Bilder vom Juni 1989
gehen um die Welt.

Der Westen ist erschüttert.

*Beklemmende Musik*

(Off): Das brutale Vorgehen
auf dem Tian’anmen-Platz

wird einhellig verurteilt.

Die Medien sprechen
von einem Massaker,

einem repressiven Regime,

"chinesischer Diktatur".

Die internationale Empörung

gibt dem Verfechter des Mittelwegs
recht und rückt Tibet wieder

in den Fokus
der Weltöffentlichkeit.

Nur sechs Monate nach Tian’anmen

und während die Unruhen in Lhasa
weiter schwelen,

wird Gyatso, der 14. Dalai Lama,

mit dem Friedensnobelpreis
ausgezeichnet.

(Dalai Lama):
Ich fühle mich geehrt, demütig

und tief bewegt,
dass Sie diesen wichtigen Preis

einem einfachen Mönch aus Tibet
geben wollen.

Ich nehme den Preis
in großer Dankbarkeit entgegen

im Namen der Unterdrückten
überall.

Natürlich auch im Namen

der sechs Millionen Tibeter
und Tibeterinnen,

meiner tapferen Landsleute
in Tibet,

die so sehr gelitten haben
und immer noch leiden müssen.

(Xia): Der Dalai Lama
vertritt universalistische Werte,

weil er nach dem Kalten Krieg
gesehen hat,

dass der gewaltlose Kampf
für Demokratie,

wie ihn Václav Havel führte,
effektiver war.

Das sah er auch bei Mutter Teresa,
Desmond Tutu

und Lech Wałęsa mit der
Solidarność-Bewegung in Polen.

Der Nobelpreis bestätigte seine
Philosophie und seinen Mittelweg.

Für den systemischen Ansatz
der Gewaltfreiheit

und des zivilen Ungehorsams hat er
den Friedensnobelpreis erhalten.

*Geheimnisvolle Musik*

(Off): Man sollte meinen,
diese Anerkennung

würde der tibetischen Sache
neuen Schub geben.

Doch dem ist nicht so.

Lhasa,
immer noch unter Kriegsrecht,

liegt nach drei Jahren Aufruhr
am Boden.

Die Kluft
zwischen der Lebensrealität

der Tibetaner
und ihrem geistlichen Führer

wird immer größer.

*Nachdenkliche Musik*

*Sprech-Chor*

(Off:)
Die tibetische Exilregierung

hat allen Grund zur Sorge.

Indien,
ihr wichtigster Unterstützer,

definiert gerade
seine Beziehungen zu China neu.

Premierminister Narasimha Rao
ist ein Reformer.

Er will seinem Land um jeden Preis
Zugang zum Weltmarkt verschaffen.

Und dazu muss Indien
mit China Handel treiben.

Doch ohne Grenzabkommen
kein Handel.

Und nach dem Krieg
im Himalaya 1962

und Maos markiertem Verlauf

gab es keine offizielle Einigung.

Es gilt noch immer
die "faktische Kontrolllinie".

Um ihre Handelsbeziehungen
auszubauen,

unterzeichnen Indien und China
im September 1993 ein Abkommen

zur "Aufrechterhaltung
von Frieden und Ruhe".

Indien akzeptiert
die Kontrolllinie,

ohne dass irgendein Dokument

ihren endgültigen Verlauf
besiegelt.

Die Grenzfrage bleibt ungeklärt,
was dem Handel zugutekommt,

nicht aber dem Schicksal Tibets.

In den 2000er-Jahren

triumphiert die Wirtschaft
über die Geografie.

Sie wird zum Leitstern
der internationalen Politik.

*Er spricht Tibetisch*

(Journalist): Präsident
Jiang Zeming dankt den Ländern,

die China unterstützt haben,

und appelliert an die Welt,
die Spiele zum Erfolg zu machen.

"Welcome to the games!"

*Sprech-Chor*

(Off:) Als das Internationale
Olympische Komitee

im Juli 2001
die Olympischen Sommerspiele 2008

an Peking vergibt,

reagieren Menschenrechtsaktivisten
mit Wut und Empörung.

*Sprech-Chor*

(Kondapali): Es gab Proteste
beim olympischen Fackellauf.

In London, Paris,
Los Angeles, Nagoya, in Sydney.

Bei diesen Protesten
standen Han-Chinesen

und Tibeter einander gegenüber.

Das waren außergewöhnliche Zeiten.

In der Folge nahmen die
Repressionen in Tibet zu,

und das hatte natürlich auch
Auswirkungen jenseits der Grenze.

(Off):
127 Athletinnen und Athleten

fordern in einem offenen Brief
an den chinesischen Präsidenten

eine friedliche Lösung
der Tibet-Frage.

Die USA erwägen einen
diplomatischen Boykott der Spiele.

Der Präsident des Europäischen
Parlaments kündigt an,

nicht zur Eröffnungsfeier
anzureisen,

und auch Bundeskanzlerin
Angela Merkel nimmt nicht teil.

Doch die Drohungen bewirken wenig.

Die Menschen in Tibet
haben nichts mehr zu verlieren

und gehen zu Tausenden
auf die Straße.

An 54 Orten überall im Land

fanden Demonstrationen
gegen China statt,

ohne dass die Menschen
in Kontakt zueinander standen.

Dennoch hatten sie alle
dieselbe Forderung:

Der Dalai Lama sollte
nach Tibet zurückkehren.

Dabei hatten ihn 2008 nur die
Eltern, Großelter und

Urgroßeltern der Demonstranten
je leibhaftig gesehen.

Die junge Generation
hatte ihn noch nie erlebt.

Sie hatte das freie Tibet
nie gekannt.

Dennoch forderten sie

die Rückkehr des Dalai Lama
nach Tibet.

(Manoj):
Die Unruhen fanden nicht nur

im Autonomen Gebiet Tibet statt,

sondern auch
in den von Tibet abgetrennten

und von China
annektierten Gebieten.

Ein Schock für die Chinesen,

die dachten,
dass die Menschen dort

besser in das chinesische System
integriert wären

als die Bewohner
des Autonomen Gebiets.

*Beklemmende Musik*

(Off): Tibetische Mönche und Laien

attackieren die Symbole
der chinesischen Besatzung:

Geschäfte, Banken,
Polizeistationen.

Die Sicherheitskräfte antworten

mit Tränengas
und Maschinengewehrsalven.

Lhasa brennt, erneut.

Geradezu diametral
zur anhaltenden Gewalt

taucht in der
internationalen Gemeinschaft

eine neue Theorie auf:

Was,
wenn die Ausrichtung der Spiele

zur Demokratisierung Chinas
beitragen

und den Weg zu einer
freien Presse bereiten würde?

Weder die Opposition
noch die Tibeter

glauben auch nur
eine Sekunde daran.

*Knallen, Jubel*

(Off): Die Olympischen Spiele 2008

sind ein Erfolg.

Doch zu keinem Zeitpunkt hat sich
China der Demokratie geöffnet

oder seine repressive Politik
geändert.

Verzweifelt greifen
einige tibetische Aktivisten

zum ultimativen Mittel
politischen Protests.

*Beklemmende Musik*

(Kalden): Die schwerste Aufgabe
in meiner Laufbahn

war die Berichterstattung
über die 160 Selbstverbrennungen.

Das war schlimm, weil ich zwar
Journalist bin, aber auch Mensch,

und Tibeter.

Einige dieser Menschen waren
nicht älter als meine Kinder.

*Getöse*

(Kalden): Niemand übernimmt
die Verantwortung.

Warum haben sich so viele
selbst verbrannt?

Warum hat sie niemand gerettet?

Warum tritt keiner für sie ein
oder spricht für sie?

Ich kann nachvollziehen,

dass einige
so drastische Maßnahmen ergreifen.

*Beklemmende Musik*

(Off):
Nach diesem schrecklichen Jahr

muss der Dalai Lama
den Tatsachen ins Auge sehen.

Seine Versuche eines
friedlichen Dialogs mit Peking

sind gescheitert.

Um die Gewaltspirale zu stoppen,

trifft er
eine radikale Entscheidung.

*Meditative Klänge, Gebet*

(Dalai Lama): Seit den 60er-Jahren
habe ich immer wieder gesagt:

Tibet braucht einen von den
Tibetern frei gewählten Führer,

dem ich die Macht übertragen kann.

(Off): Es ist entschieden:

Tenzin Gyatso
gibt die politische Macht ab.

Damit signalisiert er
den Chinesen,

dass die alten Gesprächspartner
ausgedient haben.

Die meisten Exil-Tibeter
fühlen sich im Stich gelassen.

Tatsächlich
ist dieser Rückzug jedoch

eine starke Botschaft an Peking.

(Tenzin:) Seine Heiligkeit sagte:
"Ich bin 70 Jahre alt,

ich ziehe mich zurück.

Es ist höchste Zeit
für die Führer der KP,

sich ebenfalls zurückzuziehen,
denn auch sie werden alt.

Und ein Rückzug in Würde
ist ein Vermächtnis."

Überraschend sagt er: "Ich
übergebe die politische Macht

an die gewählten
Vertreter Tibets,

ich behalte nur
die geistliche Macht."

Glauben Sie,
das sagt ein einfacher Mönch?

Nein,
das war ein politischer Führer,

ein Staatsmann und ein Stratege,

der die Zukunft Tibets
im Blick hat.

Das war einzigartig.

(Off): Tenzin Gyatso
ist seiner Zeit weit voraus.

Er hält das "Vererben"

der "Institution"
Dalai Lama für überholt.

Nach 46 Jahren im Exil
rechnet er nicht mehr damit,

in diesem Leben
nach Lhasa zurückzukehren,

doch sein Kampf um den Erhalt der
tibetischen Identität geht weiter.

*Gedämpfte Klänge*

*Regen prasselt*

"Wenn es regnet in Dharamsala.

Jeden Abend kehre ich zurück
in mein gemietetes Zimmer.

Doch so werde ich nicht sterben.

Es muss einen Weg
hier heraus geben.

Ich kann nicht weinen
in diesem Zimmer der Tränen.

Ich habe genug geweint in
Gefängnissen und in Verzweiflung.

Es muss einen Weg
hier heraus geben.

Ich kann nicht weinen,

mein Zimmer ist nass genug."

(Off): Unter den im Exil
geborenen Tibetern

ist die tibetische Kultur
sehr lebendig.

Der Dalai Lama bleibt
das unangefochtene Oberhaupt,

die neue Generation hält aber fest
am Traum von einem freien Land.

Tibet ist kein Gespenst,

es ist so real wie seine
Fußballnationalmannschaft.

(Per-Anders):
Vielen Dank, "Tashi Delek".

Das hier ist so viel mehr
als ein Fußballturnier.

Heute Abend feiern wir
die kulturelle Identität

zweier einzigartiger Länder:

Tibet und Sápmi.

CONIFA ist ein globales Fest

der kulturellen Identitäten.

Es gibt so viele Kulturen
auf der Welt.

Einige haben kein "anerkanntes"
Land, wie die Tibeter.

Uns ist das egal.
Es sind anerkannte Völker.

Das genügt,
um Teil der CONIFA zu sein.

*Gedämpftes Getöse, Anpfiff*

*Meditative Musik*

*Kreischen*

(Gompo): Erstmals spielt

die Frauennational-Elf
gegen ein anderes Land.

Was für ein Erfolg
für die tibetische Gemeinschaft!

Es geht um mehr als Sport.

Wir wollen den Menschen zeigen,

dass das tibetische Volk
zu Tibet gehört

und dass Tibet
ein freies Land ist.

(Off): Eine Fußballmannschaft,

Schulen, ein Fernsehsender,
ein Parlament,

ausländische Delegationen.

Die Regierung von Tibet
ist gut vorbereitet

auf den lang ersehnten Tag
der Rückkehr.

Für viele besteht kein Zweifel:
Dieser Tag wird kommen.

Doch die Zeit drängt.

Der 14. Dalai Lama
hat sich bereits

besorgt über seine
Nachfolge geäußert.

In der tibetischen Gemeinschaft
wird sein Tod

eine große Lücke hinterlassen.

(Kalden): Keiner weiß,

was nach dem Tod
Seiner Heiligkeit geschieht.

Wird der Kampf friedlich bleiben?

Niemand hat eine solche moralische
Autorität über die Tibeter

in und außerhalb des Landes
wie er.

Was danach kommt,
ist unvorhersehbar.

Für die Tibeter,
aber auch für die Chinesen.

Darum wollen sie,

dass der nächste Dalai Lama
in China geboren

und von der KP Chinas gefunden
und eingesetzt wird.

2007 kam ein Gesetz,
das vorsieht,

dass jeder reinkarnierte Lama
nur mit Parteierlaubnis

wiedergeboren werden darf,

mit Genehmigung der Partei.

Können Sie sich das vorstellen?

Eine kommunistische Partei

genehmigt die Reinkarnation
eines religiösen Führers.

(Off): Der Anspruch,

selbst über die Reinkarnation
des Dalai Lama zu entscheiden,

zählt zum langfristigen
Sinisierungsprogramm Pekings.

Um jeden Zweifel zu zerstreuen,
hat die Regierung angekündigt,

den nächsten buddhistischen Führer

auf chinesischem Boden
zu bestimmen.

Aber auch andere Theorien
kursieren.

Der Dalai Lama hat mindestens

drei Lösungen vorgeschlagen.
Er sagte:

"Vielleicht bestimme ich meinen
Nachfolger noch zu Lebzeiten.

Oder aber der nächste Dalai Lama
wird eine Frau sein,

oder es wird
zwei Dalai Lamas geben."

Ich rechne damit, dass China
einen Dalai Lama ernennen wird,

und Indien ebenfalls, wenn es
das nicht schon getan hat.

Und das wird unweigerlich
zu einem Konflikt führen.

*Meditative Klänge*

*Beklemmende Musik*

(Off): Dieser Konflikt
könnte die Spannungen

zwischen Indien und China
weiter verschärfen.

An der Spitze der beiden
demografischen Schwergewichte

stehen zwei Männer
mit nationalistischen Ambitionen.

Der indische Premier Narendra Modi
vertritt Positionen,

die weit entfernt sind
von denen Nehrus.

Er lässt Grenztruppen verstärken

und jegliche Vorstöße auf
indischen Boden zurückdrängen.

Xi Jinping setzt Mao Zedongs
expansionistische Politik fort.

Im September 2023
veröffentlicht Peking

eine neue Karte
mit den offiziellen Landesgrenzen.

Arunachal Pradesh wird plötzlich
als "Südtibet" bezeichnet

und gehört nun
zum Reich der Mitte,

ebenso wie einige
russische Gebiete, Taiwan

und mehrere Inseln
im Südchinesischen Meer.

Wenige Tage vor dem G20-Gipfel

hat China kurzerhand
sein Staatsgebiet vergrößert,

auf Kosten seiner Nachbarn.

(Srikanth): Wenn vom chinesischen
Traum die Rede ist, sagt keiner,

was dieser Traum genau beinhaltet.

Ich glaube,

damit ist auch die Rückeroberung
verlorener Gebiete gemeint.

Arunachal Pradesh

wird als verlorenes Gebiet
betrachtet,

genau wie das Galwan-Tal.

Der chinesische Traum,
die chinesische Erneuerung

beschränkt sich also
nicht nur auf Tibet, Xinjiang

und die Innere Mongolei,
sondern umfasst viel mehr Gebiete.

Mit anderen Worten,

der chinesische Traum wird
für andere Länder zum Alptraum.

(Off): Mit der Rückeroberung
"verlorener Gebiete"

erlangt China noch etwas Wichtiges
für den Frieden in Asien zurück:

die Kontrolle
über Ressourcen und Rohstoffe.

(Tenzin): Die Gebiete Tibets
haben große Rohstoffvorkommen,

vor allem an Lithium und Zink,

die für die Akkus in Handys
und E-Autos gebraucht werden.

Die Chinesen wollen
diese Vorkommen ausbeuten,

sie bauen Minen und Dämme,

gegen den Willen
der lokalen Bevölkerung.

(Srikanth):
China baut zurzeit 26 Staudämme.

Einige sind drei Mal so groß
wie der Drei-Schluchten-Staudamm,

das größte Wasserkraftwerk
der Welt.

Wenn China das Wasser umleitet,
werden Arunachal Pradesh

und flussabwärts Assam
und Bangladesch austrocknen.

(Off): Der Himalaya,

oft als "Dritter Pol der Erde"
bezeichnet,

speist ein gewaltiges Flusssystem
in ganz Asien.

Chinas Staudammprojekte schüren
Angst vor irreparablen Eingriffen

in die Natur und möglichen
Konsequenzen in anderen Ländern,

wie Überschwemmungen

und Dürren.

Hinzu kommen
enorme wirtschaftliche

und energiepolitische Fragen.

Die Kontrolle der Ressourcen,
wie Xi Jinping sie anstrebt,

ist eine neue Quelle

für Spannungen
zwischen den Nachbarn.

(Medha): Tibet ist
ein strategischer Ort.

Zum einen, weil dort
die großen Flüsse entspringen

und weil es
seltene Metalle besitzt.

Und dann natürlich auch
geografisch als Tor nach Südasien.

Die Industrialisierung,
die Modernisierung,

der massive Straßen- und Bergbau,

den die Chinesen in Tibet
betreiben, schaden der Umwelt

und haben Auswirkungen
auf die Länder flussabwärts.

Und China nutzt diese Aktivitäten,
um Druck auf Indien auszuüben.

In diesem Kontext ist Wasser
ein entscheidender Faktor,

nicht nur als Ressource,
sondern als Druckmittel.

Nehmen wir die Doklam-Krise 2017.

Unmittelbar darauf stoppte China

den Wasserdatenaustausch
mit Indien.

(Off): Für Narendra Modi

ist dieses Dominanzgebaren
inakzeptabel

und liefert neuen Zündstoff
im Grenzkonflikt.

Nie zuvor hat es in der Region
so viele Scharmützel

und Provokationen gegeben
wie in den letzten fünf Jahren.

Zuerst an der Grenze
zu Bhutan 2017,

als die chinesische Armee

eine Straße
auf dem Doklam-Plateau bauen will,

dann im Galwan-Tal 2020,

an der umstrittenen Grenze
zwischen Ladakh und Aksai Chin.

Bei dem Zusammenstoß 2020

haben beide Seiten bewusst
auf Schusswaffen verzichtet.

Aber das Ergebnis
war entsetzlich.

Statt Schusswaffen nahm man
andere Waffen und Dinge,

um den Gegner zu verletzen,

primitive Waffen
wie Knüppel, Hämmer und Steine.

(Off): Im Dezember 2022
kommt es erneut zur Konfrontation.

Diesmal in Arunachal Pradesh
nahe Tawang,

in einem buddhistischen Zentrum,
das China für sich beansprucht,

während Indien seine Truppen
in der Stadt verstärkt.

Ohne endgültige Einigung
über den Grenzverlauf

bleibt die Kontrolllinie eine
große geopolitische Instabilität,

eine tickende Zeitbombe.

China hat sehr gute Gründe,

den Grenzverlauf
ungeklärt zu lassen,

denn China verfolgt eine
aggressive Expansionspolitik:

vorstoßen, besetzen,
weiter vorstoßen.

Hätten sich China und Indien
auf die McMahon-Linie geeinigt,

hätte die Welt davon erfahren,

und China hätte sich an die
Vereinbarung halten müssen.

Eine offizielle Grenze
hätte der chinesischen Aggression

einen Riegel vorgeschoben.

Daher haben die Chinesen die
Grenzfrage bewusst offengelassen,

ganz nach ihrer Devise:

"Handle nur,

wenn du auch gewinnen kannst."

Ein Achtel der Weltbevölkerung
lebt in China,

ein weiteres Achtel in Indien.

Der Westen sollte
die Region beobachten,

denn sie ist nicht nur
eine geopolitische Größe,

sondern auch eine Bühne,
auf der demografische

und geoökonomische Fragen
verhandelt werden,

und somit
die Zukunft der Menschheit.

*Unheilvolle Streicherklänge*

(Off):
Eine Linie quer durch die Berge,

die über die Zukunft
der Menschheit bestimmen könnte.

Eine Grenze, die keine ist,

in einem Land,
das keines mehr ist.

Was, wenn der Himalaya nicht
die äußerste Grenze

der Chinesen,
Inder und Tibeter wäre?

Als China den Tibetern verbot,

Bilder des Dalai Lama
zu besitzen,

hatten sie
eine wunderschöne poetische Idee.

Sie sagten: "Wir können
den Dalai Lama im Mond sehen",

und sie glaubten tatsächlich,
ihn dort zu sehen.

Niemand kann uns daran hindern,
den Mond zu betrachten!

(Off): Hat die tibetische Sache
einen Ort gefunden,

an dem sie neuen Atem
schöpfen kann?

*Knallen*

(Off): Am 23. August 2023

landet die indische Raumsonde
Chandrayaan-3

am Südpol des Mondes.

Damit hat Indien China,
dem vier Jahre zuvor

eine Mondlandung geglückt war,
eingeholt.

Es scheint, als hätten
die asiatischen Giganten

ein neues geopolitisches Spielfeld
für ihr Kräftemessen gefunden.

Im Weltraum.

Untertitelung:
Globe tv GmbH, Saarbrücken, 2023